Eine systemische Erklärung zum Thema – Bewusstseinsmodell

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Bewusstsein 2.0 – Teil 1

Wenn jemand den Begriff „Bewusstsein 2.0“ in den Mund nimmt so sollte man meinen, dass derjenige der das tut über Bewusstsein 1.0 Bescheid weiß. Das ist allerdings mit Sicherheit nicht der Fall, weil es bisher keine entsprechende Theorie dafür gibt. In den letzten Tausend Jahren fühlten sich für das Thema „Bewusstsein“ die Wissenschaften wie Theologie, Philosophie, Anthropologie usw. weiter zuständig. Auf jeden Fall wurde Bewusstsein immer aus geisteswissenschaftlicher oder auch aus esoterischer Sicht erklärt. Naturwissenschaftliche Ansätze um Bewusstsein zu erklären beginnen erst in den letzten wenigen Jahren zu reifen. Erst mit dem Versuch das menschliche Denken neurologisch, also naturwissenschaftlich zu erforschen gibt es Bewusstseinsmodelle.

Bewusstseinsmodell

Das hier vorgestellte Bewusstseinsmodell hat in seinem Zentrum ein sogenanntes “Erkennendes”. Es wird hier nicht beschrieben wie das „Erkennende“ genau funktioniert, wie es aufgebaut ist und auf welchem Trägermaterial es realisiert ist. Im Grunde hat das „Erkennende“ die Aufgabe zwischen zwei Ereignissen dem Ereignis_1 und dem Ereignis_2 zu unterscheiden. Es muss also eine Differenzierungsfunktion enthalten. Diese beiden Ereignisse können von abstrakter Natur sein. Es kann aber auch eine Wirkung sein, die auf eine Ursache zurückzuführen ist. Ebenso ist es möglich dass die beiden Ereignisse in einer beliebigen Relation zueinander stehen. In einem sehr einfachen Bewusstsein sind diese beiden Ereignisse eben nur ein Reiz und eine dazugehörige Reaktion. Das „Erkennende“ muss auch die Fähigkeit haben sich etwas merken zu können. Es muss also die zuvor unterschiedenen Ereignisse auch für spätere Verwendung speichern können. Ein episodisches Gedächtnis ist hier wahrscheinlich Voraussetzung. Sofern ein neues Ereignis auftritt muss das mit den bisherigen Ereignissen aus dem Speicher abgeglichen werden können. Zusammengefasst hat das „Erkennende“ die Aufgabe des Differenzierens und des Integrierens.

Mit diesem noch vorläufigen Bewusstseinsmodell lassen sich über Bewusstsein schon einige grundlegende Annahmen treffen. Es ist also nicht mehr der Frage nachzugehen, ob ein Wesen ein Bewusstsein hat oder nicht. Vielmehr ist eine Antwort darauf zu geben auf welcher Bewusstseinsstufe es sich gerade befindet. Eine Blume die sich öffnet und dem Sonnenlicht zuwendet und in der Nacht ihre Blüte verschließt, hat ein Bewusstsein auf der Reiz-/Reaktionsstufe. Ein Murmeltier auf einer Alm erkennt eine Gefahr im kreisenden Adler in der Luft. Diese Ursache bewirkt in ihm das Pfeifen und damit die Warnung für die Artgenossen. Das Pfeifen wiederum ist für die anderen ein Reiz der dazu führt sich sofort in ihre Höhlen zu flüchten. Das Bewusstsein von Tieren ist damit höher als das von Pflanzen.

murmeltiere

Für viele Menschen ist es heute noch undenkbar auch bei Pflanzen von einem Bewusstsein zu sprechen. Tieren wird deshalb ein Bewusstsein zugesprochen, weil sie ein fühlendes Wesen sind. Es wird also Gefühl mit Bewusstsein synonym verwendet. Nach dem hier verwendeten Bewusstseinsmodell ist es eben nicht notwendig, dass das Bewusstsein auf Gefühle zurückgreifen muss. Sofern ein Wesen allerdings Gefühle hat, werden diese in das Bewusstsein mit aufgenommen. Tiere und so auch der Mensch haben Gefühle deshalb entwickelt um das eigene Überleben möglichst sicher zu stellen und die Fortpflanzung zu garantieren.

Ein „Erkennendes“ System für sich alleine kann noch kein Bewusstsein darstellen. Es braucht eine Verbindung zu seiner Umwelt und auch zu seinem Trägersystem. Im menschlichen Fall zu seinem Körper. Es braucht eine Sensorik um Daten von diesen Quellen zu bekommen. Im Falle des Menschen sind es die fünf Sinne-Systeme die dafür sorgen. Die VAKOG Sensorik (visuell, auditiv, kinästhetisch, olfaktorisch, gustatorisch) ist allen Säugetieren gemein. Andere Tierarten haben Sensoren für Ultraschall, UV-Strahlung, Magnetfelder, usw. Damit eng verbunden ist auch die Entwicklung des „Erkennenden“ Systems. In dieser Blackbox gibt es nur jene Repräsentationen, die durch die Sensorik hinein gebracht werden. Menschen sind also nicht in der Lage in Ultraschall zu denken. Allerdings sind wir in der Lage uns Werkzeuge zu bauen, mit deren Hilfe es zum Beispiel möglich ist ferne Galaxien über Radioteleskope zu erkennen, obwohl wir dafür keine Sensorik haben. Trotzdem bleibt es aber ein visueller oder auditiver Input. Die Bewusstseinsstufe wird durch die Anzahl und der Qualität der Sensorik mitbestimmt. Ein historisch-bedeutsames Ereignis der Menschheit war das Erkennen der Welt als Globus. Die Besonderheit bestand darin, dass zu dieser Zeit dies niemand unmittelbar sensorisch wahrnehmen konnte. Wir wissen, dass wir nicht alles selber erfahren müssen, sondern auch durch Erzählungen aufnehmen können. Insofern könnten wir auch höhere Dimensionen verstehen, wenn uns diese jemand erklären würde – was Einstein ja gemacht hat.

Ein „Erkennendes“ System muss auch in der Lage sein zu überleben. Dazu bekommt es einerseits die Informationen über sein Träger-System und seine Umwelt. Andererseits muss es die Möglichkeit haben in Form von Aktoren auf diese einzuwirken. Insbesondere braucht es für das interne System – z. B. dem menschlichen Körper – ein ausgefeiltes und stabiles Regelsystem zur Lebenserhaltung. Dazu gehört auch die Bereitstellung von Energie.  Menschen tun das in dem sie entweder jagen gehen oder shoppen im Supermarkt. In beiden Fällen ist es mehr oder weniger Muskelkraft mit der ein Mensch auf seine Umwelt einwirkt. Je mehr unterschiedliche Aktoren ein System hat umso differenzierter kann es seine Umwelt gestalten. Auch hier ist es dem Menschen gelungen Werkzeuge zu entwickeln, die sowohl auf der makroskopischen als auch auf der Nano-Ebene die Welt formen. Auch mit der Qualität und der Anzahl von Aktoren wird die Bewusstseinsstufe beeinflusst.

Sensoren und Aktoren sind nur dann sinnvoll wenn sie von einem Umfeld Information erhalten bzw. dort agieren. Ein Bewusstsein braucht demzufolge auch einen Kontext. Mit diesem stehen das „Erkennende“ System, Aktoren und Sensoren in permanenter Wechselwirkung. Es gilt, je komplexer das Umfeld umso höher kann die Bewusstseinsstufe werden. Je höher wiederum die Bewusstseinsstufe umso komplexer kann es sein Umfeld gestalten. Diese „Spirale Dynamik“ haben Beck/Cowan in ihrem gleichnamigen Buch beschrieben und das menschliche Bewusstsein in neun Entwicklungsstufen eingeteilt.

Das eben beschriebene Modell schaut angewandt auf den Menschen wie folgt aus: Das „Erkennende“ System ist das neuronale Gehirn mit etwa 80 mrd. Neuronen. Für den Input stehen lediglich 200 mio. Sensor-Neuronen zur Verfügung. Als Output mit 86 mio. Aktor-Neuronen noch weniger. Damit ist also offensichtlich, dass das menschliche Bewusstsein hauptsächlich durch das „Erkennende“ System bestimmt ist. Es kann sich unabhängig vom Input bzw. getätigten Output alles Mögliche konstruieren. Daraus leitet sich auch der so genannte Konstruktivismus ab, der das Gehirn auch als geschlossenes System sieht. Demzufolge bekommt das Gehirn nur transformierte Information. Im Falle des visuellen Systems wandeln die Augen (Rezeptoren) die sichtbare elektromagnetische Strahlung in Neuronen-Ströme um. Das Äußere kann also nicht direkt erkannt werden. Wir Menschen wissen daher nicht, wie die Welt da draußen wirklich ausschaut. Wir konstruieren uns diese lediglich. Im Vergleich zu einem offenen System wie z. B. einem Straßenbahnwagen bei dem man mit Sicherheit sagen kann, dass die eingestiegenen Menschen drinnen noch immer Menschen sind, auch wenn die Türen geschlossen sind. Das „Erkennende“ System des Menschen repräsentiert die Umwelt entsprechend den VAKOG Sinnessystemen. Mehr ist nicht möglich auch wenn die Welt draußen eine völlig andere wäre.

Metro trains

Um eine höhere Bewusstseinsstufe zu erreichen kann man entweder das „Erkennende“ System, die Sensor/Aktor-Neuronen oder den Kontext erweitern. Dies haben die Menschen schon seit Jahrtausenden praktiziert. Hauptsächlich ist dies den Schamanen und Priestern vorbehalten geblieben. Mit körperlichen Aktionen und unter zu Hilfenahme chemischer Substanzen wurde und wird dies erreicht. Je nach Erfahrung und auch genetischer Determination können hier sehr außergewöhnliche Bewusstseinszustände erreicht werden. Die moderne Chemie liefert dazu auch Mittel die allerdings sehr starke Nebenwirkungen haben und damit eigentlich nicht zur Verfügung stehen.

Große kulturelle Veränderungen – wie z. B. die Erfindung des Buchdruckes – haben sich massiv auf den Kontext und damit auf das Bewusstsein der Menschen ausgewirkt. Genau so und wahrscheinlich noch wesentlich umfassender wird die gerade laufende Digitalisierung das Bewusstsein verändern. In einer virtuellen Welt können Erfahrungen gemacht werden, die ein Mensch in der natürlichen Realität so nie machen könnte – obwohl noch immer auf dem VAKOG Sinnessystemen basierend. Eine noch dramatischere Veränderung des Bewusstseins würde die Entwicklung von Sensoren und Aktoren außerhalb der natürlichen Sinnessysteme mit sich bringen.

In den folgenden Ausgaben dieses Blogs werde ich auf die Bewusstseinserweiterung durch Digitalisierung näher eingehen und in späterer Folge auch über die Möglichkeit eines Bewusstseins auf elektronischer Träger Basis spekulieren.

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