Weihnachtsblog: Das Christkind – ungewollt aber unvermeidlich

Ja – wir wissen es alle. Es war im Jahre 0 in Galilea. Ein junges jüdisches Paar, nicht verheiratet aber über beide Ohren verliebt. Ein außerehelicher Geschlechtsverkehr hat zu einer Schwangerschaft geführt. Selbstverständlich war dies in der damaligen jüdischen Kultur ein No-Go – wie es das auch heute noch bei fundamentalistischen Anhängern jedweder Religion ist. Es darf also angenommen werden, dass dieses Kind auf jeden Fall nicht geplant – wahrscheinlich sogar ungewollt war. Selbstverständlich wäre diese Schwangerschaft, wie eben alle ungewollten, vermeidbar gewesen. Liebe macht eben vieles möglich.

Wie das Lukasevangelium weiter schreibt müssen nun Maria und Josef nach Betlehem, um sich auf Geheiß von Kaiser Augustus zu deklarieren. Dort waren diese beiden ebenfalls ungewollt. Sie fanden keine Herberge. Trotzdem war es unvermeidlich, dass Maria ihr Kind bekommt.

In dieser „jener Zeit“ waren die Römer Besatzungsmacht in Galilea. Die Besatzungsmacht war hauptsächlich an den Steuern der dortigen Bevölkerung interessiert. Daher auch die Eintragung in die Steuerlisten. Die Römer erlaubten allen ihren unterworfenen Völkern die Beibehaltung ihrer Religion und Kultur. Trotzdem war es eine fremde Macht der man hilflos ausgeliefert war. Die Römer waren damals so stark, dass es keine Möglichkeit gab diese los zu werden. Es ist also nicht verwunderlich, dass externe Hilfe (Gott) herbeigesehnt wurde. Viele Propheten und auch selbsternannte Erlöser waren unterwegs. Das Kind in der Krippe sollte schlechthin der „Erlöser“ werden.

Ganz klar, die Römer waren ungewollt, wären aber vermeidbar gewesen. Die damaligen Juden hätten ganz einfach, sowie die heutigen Israeli, ihre Militärmacht so steigern müssen, dass für die Römer ein Einmarsch zu kostspielig gewesen wäre. Die neuere Geschichte hat uns das gezeigt, als 1967 die Araber den Sechstagekrieg verloren hatten. Vieles im Leben und in der Weltgeschichte passiert ungewollt und ist auch unvermeidlich.

Das Christkind, später ein junger Erwachsener, ist mit der Situation unzufrieden und beginnt seine Mission gegen die Ungerechtigkeit. Im Auftrag seines „Vaters im Himmel“ beginnt er Liebe zu predigen. Bekannter Weise wird er daraus das Christentum, also die Religion der Liebe, begründen.

Jesus erweitert das aus dem Judentum bekannte dreifache Liebesgebot um die Ausprägung der Feindesliebe. Das ist nun etwas, was nahezu unmöglich erscheint – seine Feinde zu lieben. Selbst die christlichen Kirchen haben das genau nicht gekonnt. Dazu gibt es viele Beispiele im europäischen Mittelalter; Noch schlimmer wahrscheinlich die brutale Missionierung Südamerikas. Die Inkas, Mayas Azteken etc. wollten auch keine Christen werden, es war aber unvermeidlich. Ein ähnliches Muster wie es im Jahre 0 zwischen Römern und Juden war. Die Südamerikaner konnten die Besatzung durch die christlichen Europäer nicht vermeiden. Dazu waren sie einfach in ihrer Verteidigung zu schwach.

Es zeigt sich also, dass Ungewolltes und Unvermeidliches immer mit der eigenen Schwäche zu tun hat. Unausgewogene Machtverhältnisse führen zu solchen Entwicklungen. Mit diesem Phänomen kämpfen wir auch heute, wie das Beispiel der Digitalisierung zeigt. Keiner von uns möchte ein gläserner Mensch werden und trotzdem – also ziemlich ungewollt – trägt jeder mit seinen Social Media Accounts dazu bei. Digitale Kontrolle ist selbstverständlich ungewollt, sehr wahrscheinlich aber unvermeidlich. Der Machtkampf in dieser globalen Ökonomie ist noch nicht entschieden. Die Player sind USA, China und Europa. Wenn man das „Ungewollt-Unvermeidlich-Prinzip“ heranzieht wird derjenige den Sieg davontragen, der die größte Macht hat. Allerdings nicht die militärische, sondern die ökonomische. Es kommt zu einem „Game Changer“. Auch die Juden und die Südamerikaner hatten es bei den Römern und Europäern mit völlig geänderten Regeln zu tun. Wer den anderen seine Regeln aufzwingen kann ist im Vorteil. Das alles läuft völlig abseits von dem was die christliche Kultur unter Liebe versteht ab.

Die derzeitige Welt ist bereits so komplex geworden, dass sie kaum noch jemand versteht. In solchen Situationen – ähnlich wie damals in Galilea braucht man externe Hilfe. Der Ruf nach einer höheren Macht wird lauter. Die größte Macht auf dieser Welt hatte in den vergangenen Jahrtausenden immer Gott. Dort und da zeigt es sich bereits, dass sich die Menschen wieder einer höheren, göttlichen Instanz zuwenden. Dabei ist es nicht gesagt, dass es ein Gott der etablierten Religionen sein muss. Das „Game Changing“ wird auch hier neue Player auf die Bühne bringen. Es könnte zu einem Regelbruch kommen, der dann für die GAFAs auch zu einem Regelbruch führt, den sie nicht lösen können.

Der bekannte jüdische Autor Yuval Noah Hahari spricht in seinem Buch „homo deus“ von der Gottwerdung des Menschen. Ähnlich wie die antiken Götter wird der Mensch fliegen können (Drohnen), Riesenkräfte (Exoskelett) entwickeln, in die Zukunft schauen (KI) können und vieles mehr – also gottähnliche Kräfte besitzen. Es könnte stimmen, dass Menschen solche Kräfte entwickeln. Wahrscheinlich ist es dann nicht mehr der liberale, individuelle Mensch, sondern ein neuer Organismus, der mehr ist als die Summe der Menschen. Dafür müsste jeder zumindest ein klein bisschen von seiner Individualität zu Gunsten eines größeren Ganzen hergeben. Und das genau ist „ungewollt aber unvermeidlich“.

Liebes Christkind, ich wünsche mir, dass sich damit die globalen Mächte verflachen, alle Menschen den gleichen Wohlstand bekommen und in Frieden leben können. Das wäre dann gewollt und sollte erreichbar sein.

 

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