American Gods

Der Knochengarten – Und plötzlich sind sie wieder da – Die Götter!

Denkende Wesen, so auch der Mensch, setzen sich mit ihrer Umwelt auseinander weil sie das müssen oder aber auch weil es schön ist. Wir müssen das um zu überleben und wir tun das auch gerne aus Freude, für Genuss und aus Liebe. Dabei bekommen wir zumindest manchmal den Eindruck, dass hinter diesem Erlebten etwas Größeres, Unerklärliches und Mächtiges stehen muss. Das war in den Anfängen der Menschheitsgeschichte die beseelte Natur. Schon bald wurden daraus Götter, die in der Antike meist als Gemeinschaft auftraten. So kennen wir das griechische und römische Pantheon. Weniger bekannt ist die nordische Welt mit dem Göttervater Wotan einem wissbegierigen, listigen Kriegsgott. Damit beginnt die erste Episode in American Gods.

Die Wikinger landen 813 n.Chr. irgendwo in Nordamerika und werden von dessen Einwohner feindselig empfangen. Eine Salve Pfeile streckte den ersten Tapferen nieder. Solche Waffen hatte sie noch nie gesehen – etwas Unerklärliches. Immer dann braucht der Mensch Gottes Hilfe, wenn er so auf sich alleine gestellt ist und was Unerklärliches passiert. Ab dieser Situation greifen die Wikinger zu drastischen Maßnahmen und schneiden sich gegenseitig je ein Auge heraus. Das hat Wotan auch gemacht und eines seiner Augen als Preis für einen Trunk aus “Brunnen der Weisheit” gegeben. Damit möchten sie ihren Gott auf sich aufmerksam machen. Wotan ist im fernen Nordland und wird sie wahrscheinlich auch nicht sehen, so ihre Vermutung. Richtig; diese Maßnahme hat nur wenig geholfen. Jetzt beginnen sie sich gegenseitig abzuschlachten, weil ihr Gott ja ein Kriegsgott ist. Das hat schließlich geholfen, der Wind ist wieder gekommen und sie konnte die Segel setzen und mit dem Schwur “Nie mehr zu wiederkehren” die Heimfahrt antreten. Was sie zurücklassen ist ein Kriegsgott – die kommende Weltmacht USA.

Von längst vergangenen Götterwelten wissen wir einmal mehr oder weniger. Es hängt nahezu ausschließlich davon ab, welches Medium die Menschen zur Kommunikation mit der Anderswelt nutzten. Im Falle der Ägypter, Griechen und Römer waren es Symbole, die in Stein gemeißelt so die Jahrtausende überstanden. Die Industal-Kultur, wahrscheinlich die älteste Hochkultur überhaupt, hat bereits HighTech in Form von gebrannten Lehmziegeln verwendet. Die sind alle verrottet. Nichts davon ist mehr da und damit auch deren Götter verschwunden. Sie werden auch in American Gods nicht wiederauferstehen. Einer der neuen Götter “The Technical Boy” schreibt seine Information in Silikon und verwendet dazu noch eine sehr einfache Symbolik, die Null und Eins.

“The Technical Boy” ist der erste, eigentliche selbst geschaffene Gott der USA. Er wurde in einer Garage, außerhalb von San Francisco, in ärmlichen und zerrütteten Verhältnissen geboren. Zur Geburtsstunde waren einige Politiker da, die auf ihre Herden aufpassen aber nicht verstanden haben, warum da Engelschöre jubelten. Nur sechzig Jahre später ist der digitale Gott ein Globaler und selbst in den Nordlanden bekannt. Bis nach dem Ende des Kalten Krieges, etwa in der 1980er Jahren, war Wotan der einzige und allmächtige Gott in den USA. Speziell seine beiden Raben Hugin (CIA) und Munin (NSA) haben seine Kriegslust immer unterstützt. Ein Gott braucht sich nicht zu rechtfertigen. Aber die Gläubigen haben uns immer erklärt, dass die Vietnam-, Irak- und Afghanistan-Kriege alle nur zu unserem Wohl geführt wurden. Im Laufe der Zeit hat sich Wotan immer mehr der digitalen Dienste bedient und hat nicht gewusst, dass er damit einem neuen Gott zur Macht verhalf.

Jetzt, wo Wotan erkennt, dass der Technical Boy vielleicht eigene Interessen verfolgt und zu mächtig werden könnte, setzt er zu einem Gegenschlag an und sucht bei den alten Göttern Gefolgschaft.

So reist er als Wednesday durch das Land und versucht Verbündete für sein Vorhaben zu finden. Er ist noch immer sehr, sehr mächtig und kann sich seine Gefolgsleute noch aussuchen. Obwohl, bei der Wahl für seinen Bodyguard braucht es schon einige Überredungskunst. Shadow Moon repräsentiert den Amerikaner der genau weiß was er will – nimmt dafür auch Gegenschläge hin, fällt sogar und kommt in den Bau. Nutzt aber auch diese Gelegenheit gleich wieder, um sich körperlich und geistig auf eine höhere Ebene zu bringen. Er liest 813 Bücher – also einen Großteil der tausend Bücher, die ohnehin jeder Mensch in der heutigen Zeit gelesen haben soll. Weiters erlernt er Münztricks, einfach so ohne zu wissen wofür. Auch sowas sollte der heutige Leistungsmensch machen – etwas Nutzloses mit dem man aber eine Freude haben kann. In seinen Träumen sieht er sich durch einen Obstgarten gehen, dessen Bäume aus Knochen und deren Früchte wiederum Schädelknochen waren. Er erkennt, dass etwas Schreckliches, Absurdes und Unbekanntes daherkommen würde. Alle Situationen, in denen die Anwesenheit von Göttern zu erwarten ist.

Götter erhalten ihre Macht insofern, als sie ihnen von Menschen für die Ursächlichkeit von Unerklärlichem zugesprochen wurde. Damit lassen sich Donner- und Schöpfungsgötter erklären. Was ist aber, wenn das Unerklärliche vorübergeht. Aus dem Donner eine blitz bedingte Schallwelle und aus der Schöpfungs-Schildkröte ein Urknall wird? Dann müssen Götter noch immer für ihren Machterhalt sorgen. Dazu entwickeln sie dann menschliche soziale und körperliche Fähigkeiten, die das Menschliche übersteigen. So etwas wie Posthumanes in einer pre-rationalen Welt. Da gibt es Götterboten, die zu E-Mails werden und Liebesgöttinnen, die zu Sexrobotern werden. Sexualität ist in allen Religionen und Kulturen das effizienteste Machtinstrument, weil jeder Mensch davon abhängt. So gibt es die unterschiedlichsten Liebesgöttinnen.

American Gods 1.1

In American Gods ist es Bilquis, eine Inkarnation der “Königin des Südens”. Sie beschert dem Menschen unendliche Lust. Der Kunde von Bilquis hatte noch nie in seinem Leben so ein sexuelles Erlebnis als das mit ihr. Es war allerdings auch sein Letztes. Götter fordern eben Opfer. Kein Geschlechtsverkehr vor der Ehe, kein Fleisch während der Menstruation, Beschneidung, uvm. Bilquis verzehrt die Männer, zieht sie in ihre Vagina und lebt von deren Energie und verjüngt sich dabei. Die Opferbereitschaft der Menschen gegenüber ihren Göttern wird von den Mächtigen der Welt zu ihren eigenen Gunsten ausgenutzt. Ob sie nun Pyramiden bauen ließen, Gläubige auf Kreuzzüge schickten oder die Kolonialisierung mit Christi Hilfe vorantreiben – immer waren es Götter, die dafür den Auftrag gaben.

Menschen können mit ihren Gehirnen nur das Denken, was einem sensorischen Input entspricht. Das sind sehen, hören, fühlen, usw. Auch Gott kann nur so repräsentiert werden. Im Judentum “der strafende Bärtige”, bei den Christen „der auf dem Wasser gehende Jesus“ und bei den Griechen „ein fliegender Bote“. Der Islam macht da eine Unterscheidung insofern, als “mache dir kein Bild von Gott”, dieser dafür zu groß ist. Anstelle dessen, gibt es die 99 schönsten Wörter für Gott, mit denen wiederum dessen Eigenschaften sinnlich beschrieben werden. Auch im Hinduismus, einer monotheistischen Religion mit Gott Brahman, gibt es Millionen Götter.

Stellvertretend für Gott braucht es eben Figuren. Neil Gaiman bedient sich der Legenden und Figuren aus verschiedenen Pantheons, um die geistige Entwicklung der USA zu zeigen. Er lässt dazu eben nicht reale Menschen und Organisationen gegeneinander antreten, sondern Götter, welche diese repräsentieren.

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