Die europäische Antwort auf den Weihnachtsmann

Als kleines Kind wurde mir ein Bild vom Christkind, mit den Eigenschaften blond, mit weißen Kleid und Goldsternen vermittelt. Fünfzig Jahre später betritt Helene Fischer in weißen langen Kleid, mit blonden langen Haaren und einem goldenen Mikrofon die Bühne in der Wiener Hofburg. Dort präsentiert sie ihre Weihnachtslieder 2015.

Der Festsaal ist mit vier unauffälligen Christbäumen dekoriert. Ansonsten gibt es keine Hinweise darauf, dass es sich um ein Weihnachtskonzert handelt. Der Raum ist in ein rot / blaues Licht gehüllt. Wobei das Blau kein winterliches ist und dass Rot nicht das einer Christbaumkugel ist. Eigentlich nicht nach den Vorstellungen von einer TV Weihnachts-Show.

Das Royal Philharmoniker Orchester und die Wiener Sängerknaben haben eines gemeinsam. Sie alle tragen Kopfhörer – wozu?  Möglicherweise um Regieanweisungen zu bekommen.
Von wem diese kommen und wer in Wirklichkeit dabei Regie führt ist nicht erkennbar. Lediglich einmal als beim „Drummer Boy“ sich der kleine Bub wie ein Roboter auf Befehl zum Publikum wendet, spürt man einen Regisseur. Ansonsten ist die Veranstaltung eine ganzheitliche Komposition aus Licht, Musik und Kameraführung. Die einzelnen Musikstücke sind dabei wie die Strophen eines Liedes.
Helene Fischer bringt Erinnerungen aus ihrer Kindheit. Wie sie mit dem Vater am zugefrorenen See war, den Christbaum geholt hatten und er Weihnachtsgeschichten erzählte. Sie bedankt sich dafür in sehr authentischer Weise bei ihrem „Papi“. Selbst NLP geschulte Zuschauer finden dabei nichts gespielt. Schaut alles sehr echt aus. Fischer integriert ihre Kindheits- Geschichten zwischen „Oh Tannenbaum“ und „Leise der Schnee“.
Jetzt zu dem Highlight:  Das war das Nichtvorhandensein kitschiger Weihnachtsrequisiten.
Bei „Ihr Kinderlein kommet“ sieht man keinen künstlichen Ochsen und auch keinen echten Esel. Selbst bei “Rudolph – the Red Nose Reindeer“ gibt es kein Rentier und schon gar keinen amerikanischen Weihnachtsmann. Dieser Verzicht auf Skulpturen und Bilder macht es dem Zuschauer möglich wieder einmal seine eigenen mentalen Bilder zu entwickeln. Das Weglassen ist super gut gelungen. Es könnte auch ein erster Schritt, bei TV Produktionen zurück zum Wesentlichen sein. Bescheidenheit zeigt sich eben im nicht verwendeten, üblichen Weihnachtskitsch. Keine Plastik- Schneeflocken, Berge von Weihnachtsgeschenken und keine lockigen Englein – trotzdem visuell imposant. Dank an die Licht Designer.

Fischer verwendet wesentlich subtilere Elemente um Erinnerungen und Emotionen zu wecken. Der Kinderchor bei „In der Weihnachtsbäckerei“ zeigt das sehr schön. Die Mädchen in Zöpfen, Woll-Strumpfhosen und Kleiderschürzen. Die Buben mit Scheitel, Pullover und Hemd. Eigentlich brave Kinder – zurückgeholt aus den 1960er Jahren. So wie auch das Duett „White Christmas“ mit Dean Martin. Vergangenheit digital revitalisiert und live integriert.
Zum Abschluss sagte Helene Fischer, dass es gelungen sei den Weihnachtsliedern ein neues Gewand zu geben; und sie hatte damit recht. Es war eine außergewöhnliche Performance. Traditionelle Weihnachtslieder, ohne amerikanischen Klamauk nur inhaltlich zu präsentieren. Die Hauptelemente Licht, Musik und Gesang verliefen in einer Choreografie ohne Kitsch in Ruhe und auf das Wesentliche beschränkt – durchaus meditativ.  Mit diesem Modell könnte das christliche Europa wieder seinen Weg zu einem sinnerfüllten Weihnachten finden. Ein Fest von Stille und Frieden. Genau das hat Fischer in einer HighTech Umgebung gezeigt. Wurde so bisher nicht für möglich gehalten.

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