Black Mirror 4.1. USS Callister

USS Callister

Werte: Gott spielen

Das Intro zur TV Serie „Raumschiff Enterprise“ aus dem Jahre 1966 wurde weltbekannt:

„Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung 5 Jahre lang unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, dringt die Enterprise in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.“

Die ersten Episoden wurden noch in schwarz-weiß ausgestrahlt. Ein multikulturelles Team auf der Kommandobrücke und das mit Frauen in leitenden Positionen war etwas völlig neues und fremdartiges. „Können den Frauen ein Raumschiff fliegen, wo sie doch kaum Autofahren konnten“. Zu allen Überdruss gab es da noch Mr. Spock mit fledermausähnlichen Ohren und völlig ohne Gefühle. Heute würde man das vielleicht als ein androides Lebewesen Mit KI bezeichnen. Geleitet wurde diese Expedition von Captain Kirk. Er repräsentiert zwar eine Führungskraft nach altem Stil, allerdings schon mit einem kollegialem Touch. Das Team löste jede Woche ein sehr schwieriges Problem und es gab immer ein Happy End.

Kirk war für viele Führungskräfte ein Vorbild. In den Firmen und Unternehmen haben sich daraufhin Teamkulturen entwickelt. Die Führungskräfte wurden zu Machern denen kein Problem zu groß war. Raumschiff Enterprise hatte besondere Ressourcen, wie zum Beispiel Beamer, Mobiltelefon und Laser. Diese Geräte haben damals noch sehr futuristisch gewirkt. Die daraus resultierenden Kinofilme wie Star Track und Star Wars  haben der damaligen Generation eine utopische Welt gezeigt.

Es entstand ein Bewusstsein, dass alles machbar sei. Man brauchte nur ein intelligentes Team, genügend Technologie und einen außergewöhnlichen Führer. So manche amerikanische Präsidenten und Vorstände von großen Unternehmen haben dieses Verhalten übernommen. Letztendlich ist das auch in die MBA Ausbildungen eingeflossen. Insgesamt kann festgehalten werden, dass Raumschiff Enterprise die globale Kultur des 20. Jahrhundert geprägt hat und den Höhepunkt der utopischen Filme reflektierte.

Die männlichen TV Zuschauer haben sich vielfach mit Captain Kirks und die damaligen Feministinnen mit Lieutenant Nyota Uhura identifiziert. Trotzdem waren es zwei völlig getrennte Welten. Die Zuschauer waren außen und die ge-casteten Schauspieler im Fernseher. Am Ende jeder Episode war wieder alles vorbei und die Konsumenten wieder in ihrem eigenen Leben und Schicksal zurück. Auch wenn für die utopischen Devices kaum eine Realisierungschance bestand, so wurden sie bald in den Sprachgebrauch (Phaser) übernommen. Manche Technophilosophen sind der Meinung, dass genau das die Voraussetzung für die heutige laufende technologische Entwicklung war.

Leider hat sich diese wunderbare utopische Welt mit dem Alleskönner Kirk und seinem DreamTeam nicht sehr lange gehalten. Spätestens zum Zeitpunkt des Erscheinens der Matrix-Filme war es mit den Utopien vorbei. So wie in Matrix der Mensch dargestellt wird, lebend in einem Reagenzglas, ist es die Apokalypse schlechthin. Ab diesem Zeitpunkt gab es auch kaum mehr utopische Filme. Der Trend ging dann zu Produktionen wie Terminator, Independence Day, Auslöschung, uvm. Die beiden Jahrzehnte vor und nach der Jahrtausendwende waren typisch apokalyptisch geprägt. Dazu haben auch der Milleniumswechsel selber und die Endzeit des Maya-Kalenders beigetragen.

Erst in den letzten wenigen Jahren ist man von dieser Endzeit-Stimmung abgekommen und in eine düstere (sinistere) Zukunftserwartung gewechselt. Die Umweltverschmutzung, die zu erwartende künstliche Intelligenz und die Entwicklung einer sozial-elitären Schicht machen Angst, zerstören aber die Welt nicht vollständig.

Black Mirror hat sich von Anfang an dieser dystopischen Zukunftserwartung angenommen und zeigt diese immer wieder in beklemmender Form. Am Ende jeder Episode ist man nahezu frustriert oder zumindest sehr nachdenklich. Bei der aktuellen Episode jedoch gibt es ein „Happy End“.

Im Intro zu USS Callister sieht man im 4:3 Format eine kurze Episode wie sie auf Raumschiff Enterprise auch hätte sein können. Der Captain heißt jetzt Daly. Zwischenzeitlich sind noch mehr Frauen auf der Kommandobrücke und die Szenen laufen nach dem gleichen Muster ab. Es entsteht ein Problem, welches immer wieder von einem Team mit einem außergewöhnlichen Captain gelöst wird. Der Captain Robert Daly ist wirklich was Besonderes.

Die Firma Callister wurde von den beiden Herren James Walton und Robert Daly gegründet. Die beiden haben ein außergewöhnliches Computerspiel entwickelt. Mit Infinity wird der Zuschauer mittels eines Mental Connectors direkt in das Geschehen eingebunden. Während Robert das Programmiergenie war, ist es Walton gelungen das Unternehmen zu einer Weltmarke zu führen.

Die beiden Firmeneigentümer könnten nicht unterschiedlicher sein. Walton ein Exhibitionist und Robert ein verschlossener, introvertierter und an Persönlichkeitsproblemen leidender Mensch. Viele Mitarbeiter der Firma Callister wissen nicht einmal, dass dieser „komische“ Typ ihr Chef ist. Er wird von vielen gemobbt und von allen ins lächerliche gezogen. Aufgrund seiner Persönlichkeit und mentalen Struktur ist er nicht in der Lage dem etwas entgegen zu halten. Weil er aber ein wirkliches Computergenie ist hat er sich eine Rache auf völlig andere Weise ausgedacht.

Robert hat eine neue Instanz des Spieles entwickelt, welche er nicht online stellte und nur er darauf Zugriff hatte. An sich stellt diese Version ein Remake von Raumschiff Enterprise als interaktives Spiel dar.

Eine Besonderheit gibt es schon und das sind die Schauspieler. Das sind genau diejenigen Mitarbeiter aus dem realen Leben, die sich den Unmut von Robert Daly besonders zugezogen haben. Von diesen Kollegen hat er eine DNA gestohlen, daraus ein virtuelles Leben geschaffen und dieses dann auf das Raumschiff USS Callister programmtechnisch übertragen. Diese Crewmitglieder haben einen geringfügig geänderten Körper (keine sexuellen Bedürfnisse) – das Gehirn jedoch ist eine Kopie des Realen.

Diese Crewmitglieder leben nun auf dem Raumschiff und werden von Robert, sofern er sich in das Spiel einloggt, tyrannisiert. Beispielsweise benützt er seinen Geschäftspartner Walton als lebenden Fußabstreifer. Die Crew hat ihn nach einer erfolgreichen Problemlösung zu huldigen wie einem Gott und die Frauen dürfen ihn küssen. Robert macht dort alles das, was er sich in der realen Welt wünscht, wozu er aber dort nicht in der Lage ist.

Robert hört das Klingeln an seiner Wohnungstür auch während er im Spiel ist. Wenn der Pizzamann läutet muss er aussteigen, dann haben die Crewmitglieder frei und können entspannt ihre Zeit verbringen. Allerdings sieht kein Ende heraus. Im Spiel stirbt man nicht. Das Einzige was die Mitglieder wissen ist, dass es immer dann äußerst unangenehm wird, wenn Robert einsteigt. Sie leben in einer qualvollen und ewigen Wachheitsform.

Die neue Mitarbeiterin Nanette Cole zieht gleich den Unmut von Robert Daly auf sich, als sie sich nur mit James Walton unterhält. Er nimmt ihre DNA und verfrachtet sie sofort in das Spiel. Sie hat damit zwei Leben – das reale und das geklonte. Die Reale weiß allerdings nichts von ihrem anderen Schicksal. Cole nimmt die Tyrannei von Robert nicht zur Kenntnisse und findet tatsächlich einen Ausweg. Nanette Cole erpresst sich selber. Sie weiß, dass sie im tatsächlichen Leben sexistische Bilder auf ihrer Fotogalerie hat und genau damit kommt es zur Erpressung. Die richtige Nanette wird beauftragt in die reale Wohnung von Robert einzudringen und das Spiel upzudaten – was auch gelungen ist.

Für Robert Daly war die Rolle als Captain nur deshalb möglich, weil er in das Spiel einen Fehler eingebaut hat. Durch das Update wurde auch der Fehler eliminiert und Robert konnte seiner Tyrannei nicht mehr nachgehen. Die Crewmitglieder waren von ihm befreit, leben aber „wenn sie noch nicht gestorben sind, glücklich im Raumschiff USS Casteller“.

Im Unterschied zur TV-Serie Raumschiff Enterprise ist der Zuschauer nicht mehr außen, sondern als Akteur drinnen. Sofern alles glatt geht haben die Konsumenten wunderbare Erlebnisse. Es könnte aber auch ganz anders kommen: gefangen in einer virtuellen Welt mit dem realen Bewusstsein und unermesslichen Leid ausgesetzt. Davor könnte man jetzt schon Angst haben.

Black Mirror 3.7. USS Callister

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