Black Mirror 3.1 „Abgestürzt“

Nosedive

Werte: Mentaler Absturz

Auch die Episode 3.1 aus Black Mirror zeigt eine dystopische Zukunft. In einer Social Fiction haben die sozialen Medien bereits alle Lebensbereiche durchdrungen. Man sieht ausschließlich Menschen die permanent ein Smartphone in der Hand haben und darüber andere Menschen bewerten. So wie wir heute Produkte, Hotels, Radtouren, usw. mit bis zu fünf Sternen bewerten, werden in dieser gezeigten Gesellschaft die Menschen ebenso bewertet. Wer also höhere Punkte hat, bekommt bessere Autos, günstigere Wohnungen und schafft den Schritt in höhere Gesellschaftsschichten. Das gilt natürlich auch umgekehrt. Wer weniger Punkte hat, gehört der Unterschicht an und muss auf viele Annehmlichkeiten verzichten.

Eine junge Frau Lacie Pound ist sehr ehrgeizig und hat zu Beginn 4,2 Punkte – was ja nicht schlecht ist. Nun möchte sie sich eine Wohnung besorgen, welche allerding nur an 4,5er vergeben wird. Also muss sie an ihrem Profil arbeiten. Mit Unterstützung eines Coaches funktioniert das anfänglich auch ganz gut. Immerhin erreicht sie 4,429. Der Erfolgsweg scheint vorgezeichnet, eine ehemalige Schulfreundin nun mehr in der sozialen Oberschicht lädt sie zu ihrer Hochzeit ein und dort vermutet sie, dass sie so viele Likes bekommt und somit das gewünschte Ziel zu erreichen.

Leider übersieht sie dabei das das Leben nicht nur den Erfolgskanal bespielt, sondern das es auch völlig anders kommen kann. So etwas hat jeder von uns schon einmal selber erlebt. Man ist nicht immer „gleich gut drauf“. Wenn es einem schon einmal sehr schlecht geht, dann glaubt man, schlimmer kann es jetzt wirklich nicht mehr kommen. Genau das passiert aber. Sofern wir nicht gut auf uns aufpassen, kommen wir in eine Down-Spirale, aus der es vielfach kein Zurück mehr gibt. Genau diesen Weg zeigt die Episode Nosedive. Die Protagonistin Lacie Pound erlebt nach einem nur sehr ganz kurzen Höhenflug einen dramatischen Abfall. Letztendlich hat sie weniger als 1 Punkt auf ihrem Profil. Dieser Absturz erfolgt nicht unmittelbar, sondern bahnt sich an. Es gibt Signale die bereits darauf hindeuten. Genau diese Signale müssen wir in unserem Leben erkennen können um den gezeigten Absturz zu vermeiden. Solche Abstürze gibt es nicht nur im mentalen, sozialen Bereich, wir kennen einen Börsencrash, eine wirtschaftliche Rezession oder einen Verkehrskollaps.

Eine Down-Spirale könnte etwa nach folgendem Muster verlaufen:

  1. Mangelnde Awareness: laufender Erfolg, immer gut drauf sein, gute Ergebnisse, verschleiern den Blick auf die Wirklichkeit.
  2. Fehlende Aufmerksamkeit: Jetzt sind schon deutliche Signale für eine Kehrtwendung erkennbar. Es gibt auch schon negative Erlebnisse.
  3. Die Alarmglocke läutet bereits: Diese sind selbst bei wenig Aufmerksamkeit nicht mehr zu überhören.
  4. Jetzt tritt der Münchhausen-Effekt in Kraft: Wir glauben nach wie vor und selber aus dem Sumpf ziehen zu können.
  5. Absturz: Münchhausen funktioniert fast nie. Der Fall ins Bodenlose ist unvermeidbar.
  6. Das Ende: Ist unvermeidlich und nur sehr selten gelingt es diesen absoluten Tiefpunkt wieder zu verlassen.
  7. Der Phoenix: Ja – in ganz seltenen Fällen kommt es zu einer Wiederkunft.

Nosedive

Die Episode zeigt an Lacie Pound nachvollziehbar sechs dieser sieben Stufen.

Mangelnde Awareness: Lacie bewegt sich in einem Umfeld von gleichbewerteten Vierern. Alles ist gleich, leicht und alle sind glücklich – zumindest nach außen hin. Sie hat ein mentales Hoch. Die Menschen zeigen sich nur von ihrer besten Seite, damit sie von anderen gute Bewertungen bekommen. Ähnlich wie wir uns heute Likes in Facebook wünschen. Lacie nimmt sich einen Coach um ihr Profil zu verbessern. Der Coach: „Die meisten ihrer Aktionen begrenzen sich auf ihren inneren Kreis – Menschen aus der Unterschicht“. Er empfiehlt ihr mit Menschen höherer Bewertung in Kontakt zu kommen. Tatsächlich bekommt sie von ihrer ehemaligen Schulfreundin (Naomi eine 4,7) eine Einladung zur Hochzeit und diese findet auf einer sehr hohen sozialen Ebene statt. Dadurch geblendet übersieht sie bereits erste Hinweise der Gegenbewegung. Sie fährt öfters mit der gleichen Frau im Lift. Von dieser bekommt sie immer schlechte Werte, was sie ignoriert.

Fehlende Aufmerksamkeit: Lacie Pound ist nun mit den Vorbereitungen zur Hochzeit beschäftigt. Immerhin ist sie aufgefordert dort eine Rede zu halten. Diese möchte sie nun so gut machen, dass ihr mit Hilfe der erwarteten positiven Bewertungen der Schritt auf 4,5 gelingt. Nur ein kleiner Streit mit ihrem Bruder lässt sie das Taxi versäumen. Entsprechend gereizt ist sie zum Fahrer des zweiten Taxis, der sie dann auch schlecht bewertet. So kommt sie verspätet zum Flughafen, beim Check-In erfährt sie, dass sie keinen Platz mehr im Flugzeug hätte und das wegen mangelnder Punktezahl. Sie ist zwischenzeitlich auf 4,183 gefallen und darf deshalb nicht mehr mitfliegen. Ihr Verhalten dabei ist so wie das bei vielen Menschen in solchen Situationen. Sie wird aggressiv, verlangt den Vorgesetzten, beschimpft andere Passagiere. Schlussendlich wird sie von der Security abgeführt und bekommt einen ganzen Punkt abgezogen. Zumindest jetzt müsste sie erkennen, dass ein Absturz bevorsteht. Dies ist eine Situation in der es uns schon schlecht geht und wir glauben den Tiefpunkt schon erreicht zu haben. Jetzt kann es nur mehr aufwärts gehen. Wir verfolgen unsere Ziele weiter, obwohl es jetzt schon aussichtslos ist, diese zu erreichen.

Die Alarmglocke läutet bereits: Nachdem Lacie nun keinen Flug bekommen hat, versucht sie mit einem Leihwagen zur Hochzeit zu kommen. Aufgrund der Distanz eigentlich ein unmögliches Unterfangen. Wiederum schlägt das schlechte Ranking zu – sie bekommt das billigste Auto und vom Vermieter noch dazu schlechte Punkte. Nach kurzer Fahrt kommt sie drauf, dass die Batterie leer ist. An der Tankstelle passt das Ladekabel nicht. Sie bekommt keinen Adapter, worauf sie den Tankwart beschimpft, der sich mit einer schlechten Bewertung revangiert. Nun ist sie auf 1,4 gefallen. Passiert sowas im realen Leben, sagen wir uns wiederum „schlimmer kann es nicht mehr kommen“. Alle Anzeichen stehen auf Aufwärts, was natürlich eine Illusion ist.

Jetzt tritt der Münchhausen-Effekt in Kraft: Lacie hat nun auch kein Auto mehr und macht sich per Autostopp weiter auf den Weg. Sie wird von einer LKW-Lenkerin mitgenommen und ist nach wie vor zu tiefst davon überzeugt bei der Hochzeit das Ruder herumreißen zu können. Es ist eine völlige Selbstüberschätzung solche Phänomene erleben wir beispielsweise bei Alkoholikern und Rauchern die von sich selber sagen „Ich kann jederzeit aufhören“. Ähnliches erlebt man heute bei insolventen Unternehmen, die genau in dieser Situation ein Produkt haben, welches ein Verkaufsschlager wird. Physikalisch gesehen ist eine Selbsthilfe in dieser Situation nicht möglich. Ähnlich wie man ein Segelschiff durch festes Hinblasen auf das Segel auch nicht bewegen kann. Das Leben ist aber nicht nur Physik – es hat schon Fälle von Münchhausen gegeben. Die LKW-Fahrerin gibt Lacie einen Notfallplan mit – eine Thermosflasche mit Kaffee und viel Whisky. Diesen trinkt sie, fasst wieder Mut und setzt ihre Reise zur Hochzeit fort.

Absturz: Die Braut Naomi bekommt natürlich den sozialen Absturz ihrer geplanten Trauzeugin mit. Naomi meldet sich am Telefon und verlangt „komme nicht – auf keinen Fall“. Trotzdem schleicht sie sich über die Gartenmauer in die Hochzeitsgesellschaft. Kurz davor ist sie noch in eine Schlammpfütze gefallen. Verschmutzt und völlig betrunken beginnt sie dort mit der Ansprache. Nicht die geplante, sondern sie bringt ihre aktuellen Gefühle zum Ausdruck. Beschimpft und beschuldigt alle anderen, insbesondere ihre Freunde. Nach kurzer Zeit wird sie von der Security abgeholt.

Das Ende: Die Episode endet damit, dass Lacie in eine Gefängniszelle gesperrt wird. Da gibt es jetzt keinen Ausweg mehr. Sie bekommt nicht mal mehr schlechte Bewertungen. Noch einmal das Problem der Alkoholiker aufzugreifen. Dieser ist jetzt unter der Brücke angekommen und es gibt keine Hilfe mehr. Selbsthilfe ist ohnehin ausgeschlossen. Der so erreichte Zustand bleibt.

Der Phoenix: In ganz seltenen Fällen gelingt es Menschen, Unternehmen und Organisationen sich daraus wieder zu befreien. Wiederholt gibt es Beispiele von Menschen die in ein schlimmes Burnout geraten und nach einer gewissen Zeit als höchsterfolgreiche Buchautoren wieder auftauchen. Ähnliches, auch sehr selten, gab es Adipositaserkrankte, die später zu Hochleistungssportlern wurden. Es sind zufällige und glückliche Umstände, die für ein wiedererstarken verantwortlich sind. Bei unserer Lacie Pound ist das nicht zu erwarten obwohl ein ganz kleines Signal dafür gab es. Sie hat sich im Gefängnis mit einem Mitgefangenen so richtig angeschrien und sich des ganzen Frustes entledigt. Es ist alles das herausgekommen, was im Menschen drinnen ist und was im normalen Leben dosiert abgegeben wird.

Sobald einmal die Down-Spirale begonnen hat sich zu drehen, ist ein Entkommen nur mehr mit höchster Konsequenz und Disziplin möglich. Daher ist es umso wichtiger in unserem mentalen Leben besonders gut auf sich selber aufzupassen. Anhaltende Awareness ist das Rezept dafür.

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