Black Mirror 2.3 “Die Waldo-Kandidatur”

Waldo

Werte: Populismus

Klassische Musik, wie sie von Bach, Gershwin oder Glass komponiert wurde, ist sehr anspruchsvoll und wird weltweit nur von wenigen Menschen verstanden. Entweder man versteht die Musik und liebt sie daher oder umgekehrt, man liebt sie und beginnt sie dann zu verstehen. Eine völlig andere Art von Musik haben Elvis Presley, Madonna,  usw. gemacht. Eine Musik, die leicht verständlich ist, die man auch ohne besondere Aufmerksamkeit konsumieren kann – die Populärmusik. Auch die Fam. Strauß hat die im 19. Jahrhundert mit dem Wiener Walzer was Ähnliches geschaffen. Es wurde halt damals als volkstümlich und nicht als populär bezeichnet.

TV-Serien haben ebenfalls eine Bandbreite von Populär bis Elitär. Die Serie American Gods ist sehr anspruchsvoll. Man braucht historisches und kulturelles Hintergrundwissen, um den Inhalt überhaupt folgen zu können. Die österreichische TV-Serie „Vorstadtweiber“ braucht nichts davon. Einfach zuschauen und sich an der Blödheit der Protagonisten erfreuen. Der Begriff Populär ist weitgehend positiv besetzt. Phänomene die darunter fallen finden bei einer breiten Masse anklang und Zustimmung. Populär ist aber bei weitem nicht populistisch.

In der Episode 2.3. „ Die Waldo-Kandidatur“ aus der Serie Black Mirror führt uns den Unterschied zwischen Populär und Populistisch deutlich vor Augen. Wahrscheinlich hat sich das alles in einer US amerikanischen Region abgespielt. In einem Regional-TV läuft eine Zeichentrickserie mit einem blauen Bären, genannt Waldo. Die Produktion ist so angelegt, dass sie auf Situationscomic aufbaut. Die Figur des blauen Bären wird durch einen Hintergrundmechanismus gesteuert. Mimik, Gestik und Sprache werden von einem Hintergrund-Akteur online komponiert. Die Dialoge sind auf äußerst niedrigem Niveau. Gesprochen werden sie von Jamie, der in seiner früheren Karriere ein wenig erfolgreicher Komödiant war. Erstaunlicher Weise ist die Serie sehr erfolgreich und die Produzenten möchten sie daher ausweiten. In der Crew kommt man schnell auf die Idee, dass sich Waldo in den laufenden Wahlkampf einschalten könnte. Mit diesem Konzept tritt Waldo nun in der Öffentlichkeit auf und attackiert Politiker mit inhaltslosen vulgären Angriffen. Auch das kommt bei der Bevölkerung sehr gut an. So, dass man sich seitens der Produktion entschließt, Waldo als eigenen Kandidaten zu positionieren. Der Akteur Jamie meint dazu: „Ich bin weder blöd noch schlau genug, um Politik zu machen“. Er favorisierte Kandidat Monroe und nimmt das vorerst auf die leichte Schulter und meint: „Warum vergeuden wir die Zeit mit einem animierten Schwachsinn?“ Je länger der Wahlkampf dauert, umso besser schneidet Waldo ab. Es kommt zu einer Fernsehdiskussion die ausschließlich von der Comicfigur bestritten wird. Die anderen Kandidaten kommen nicht zu Wort. Lediglich Monroe konnte einmal feststellen „Es ist kinderleicht was er macht – er macht sich lustig. Wenn er keine Witze hat kommen die Kraftausdrücke wie F***en ins Knie“. Damit ist der Comicfigur der Applaus des Publikums sicher. Waldo hat kein Programm, sagt nicht aus wofür er steht, hat keine Werte die er vertritt und außer „Verarschung der Politiker“ kann er nichts.

Populismus entsteht nicht nur alleine durch die Dummheit der Zuschauer, sondern es braucht auch noch eine persönliche Betroffenheit großer Menschenmassen. Es muss also Bevölkerungsschichten geben die benachteiligt sind oder zumindest sich als benachteiligt fühlen. Erst dieses Zusammenspiel von Unwissenheit und gefühlter Benachteiligung kann zu Populismus führen. Für ein Massenphänomen braucht es allerdings noch jemanden der genau diese Benachteiligung erkennt und mit einfachen Worten anspricht. Große Mächte wie das dritte Reich, Religionen sind so entstanden. Auch das Christentum war ursprünglich eine populistische Bewegung. Viele Juden haben sich durch die Besatzung der Römer benachteiligt gefühlt. Sie hatten auch kein Wissen darüber, wie man so einen Aggressor wieder loswird. Die Rezepte dafür hat dann Jesus geliefert.

Das initiieren einer populistischen Bewegung braucht hohen Intellekt. Die Bewegung an sich wird kaum von einer unwissenden Masse initiiert. Eine Elite ist meistens eine kleinere Gruppe mit sehr hohem Informationsstand, welche von sich selber zumindest vermeintlich glauben, dass sie einer Elite angehören. In der Diametrale zwischen bevorzugt/wissen und benachteiligt/unwissen kann Macht wachsen. Was es braucht ist ein charismatischer Führer. Dieser muss nicht zwangsläufig aus dem Kreis der Elitären kommen – kann auch ein Mensch des Volkes sein – wird aber von der Elite gesteuert.

Die CIA ist so vermeintliche eine bevorzugte Gruppe, also eine Elite. Genau diese tritt auch in der Episode auf. Ein Agent versucht die Produzenten von Waldo für die eigenen Interessen zu gewinnen. Der Agent sagt: „Waldo ist eine Konstruktion die von den Menschen dankbar angenommen wird und ist gleichzeitig ein politischer Killer“. Der CIA ist es grundsätzlich egal wer der amerikanische Präsident ist, ob republikanisch oder liberal. Wichtig ist nur, dass sie daraus möglichst viel Einfluss haben und damit das Volk steuert. Der Agent schlägt vor: „Mit einer gezielten hoffnungsführenden Aussage, die wir liefern (CIA), mobilisieren sie dann die Massen ohne gemäßigte Zähler abzuschrecken. Die Waldo-Kandidatur wurde 2014 produziert und hat höchste Ähnlichkeit mit der Wahl von Donald Trump 2016. Der Drehbuchautor hat damit eine visionäre Fähigkeit exzellent zum Ausdruck gebracht. Wenn man die Twitter-Nachrichten von Donald Trump liest könnte man geneigt sein, dass diese von Waldo kommen. Man darf allerdings nicht den Glauben verfallen, dass Donald Trump selber twittert – das wird von seinem Staat und von seinen Strategen gemacht. Im Hintergrund von Trump operiert eine Elite die ihre Leitfigur dementsprechend steuert. Ähnliches ist wahrscheinlich auch in Nordkorea und in der Türkei der Fall. Um hier nicht einseitig zu wirken ist festzuhalten, dass hinter allen Machtfiguren ein elitärer Kreis steckt. Das gilt genauso für Merkl, May, Grabar-Kitarovic und alle anderen.

Jetzt gibt es noch eine Bevölkerungsgruppe die mit wenig Wissen und Information ausgestattet ist und trotzdem überzeugt ist einer bevorzugten Mehrheit anzugehören. Das sind die Konformen. Auf diese stützen sich traditionelle Parteien. Das sind dann ihre Stammwähler. Menschen die von sich selber und von einigen wenigen anderen glauben, dass sie benachteiligt sind würde man dann als Dissidenten bezeichnen.

Populismus

Mit den vier Begriffen Populisten, Dissidenten, Konforme und Elitäre lassen sich die politischen Strömungen einer Gesellschaft gut beschreiben. Im Zeitalter der Digitalisierung kommen jetzt noch die sozialen Medien dazu. Der elitäre Teil der Populisten weiß sich dieses Instrumentes gut zu bedienen. Am Beispiel Österreich und nach aktuellen Erhebungen zufolge ist die Strache FPÖ, auch Facebook, die dominante politische Organisation. Darüber lassen sich dann genau jene Botschaften absetzen, die für eine wenig intellektuelle/informierte Bevölkerungsgruppe sind. Vielmehr lässt sich durch die Personalisierung der elektronischen Medien die Botschaft auf einzelne Menschen herabbrechen und damit deren Benachteiligung noch besser ansprechen.

Diese, soweit beschriebene soziale Mechanik, kann durch Digitalisierung zum Aufbau enormer und globaler Macht eingesetzt werden. Wie im Abspann der Episode zu sehen ist, hat Waldo ein weltumspannendes Imperium geschaffen. Zur Konstruktion von Macht sind in der digitalen Welt also eine künstliche Intelligenz (Elite), ein populärer Zugang (Facebook) und eine Führungspersönlichkeit (Actor) erforderlich. Gefährdet sind sowohl populistische als auch konforme Bevölkerungsgruppen. In beiden Fällen wird deren Unwissenheit ausgenutzt. Im schlimmsten Szenario der Superintelligenz hilft auch menschliches Wissen nicht mehr weiter. Was aus einem blauen Teddybär alles werden kann!

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