God

Ein Götterschwarm – Der Tanz auf dem VULKAN

“Was ist ein Gott? Können wir wissen, dass Götter existieren?” Diese Fragen stellt sich Wednesday selber und gibt sich auch gleich die Antwort: ”Menschen glauben an Dinge, was bedeutet – sie sind da!  Also was war zuerst da – die Götter oder die Menschen, die an sie glaubten?”  Im Laufe der Anthropologie haben sich die Menschen verschiedenste Götter konstruiert. Ja – Gott ist eine besondere Ausprägung des Konstruktivismus. Auf die Frage nach dem tieferen Sinn unseres Lebens, den vielen Warums, die wir nicht beantworten können, bleibt keine andere Möglichkeit als auf eine erste Ursache zu kommen. Dafür gibt es in allen Zeiten und Kulturen Gott und Götter. Dementsprechend haben sich die Gottesbilder im Laufe der Menschheitsgeschichte auch verändert. Eine A-theistische Weltbetrachtung ist wahrscheinlich die Schlechteste von allen. Und weiters, sehr wahrscheinlich, wird sich durch die gerade laufenden Umbrüche auch ein neues Gottesbild entwickeln. Man braucht heute nicht mehr an einen bärtigen Schöpfergott oder an die ohnehin schon vergessenen Götter aus der Serie glauben. Allerdings gibt es einige, besonders in heutiger Zeit, essenzielle Annahmen über Gott:

  • Gott greift nicht in das Geschehen der Welt ein (ist außerhalb von Raum und Zeit).
  • Gott braucht die Menschen nicht – umgekehrt möglicherweise schon.
  • Gott ändert seinen Willen nicht – Ist schon alles gemacht – der Mensch weiß es bloß nicht.
  • Gott hat uns die Welt gegeben und uns die Verantwortung dafür übertragen
  • Wir haben die Beste aller möglichen Welten; Vital Zone im Universum
  • Ressourcen sind begrenzt und müssen schonend genutzt werden
  • Frieden zwischen allen Menschen, Nationen und Traditionen ist unsere Aufgabe
  • Die Welt ist ein Dorf geworden – Beziehungen unabhängig vom Raum
  • Viele verschiedene Lebensformen (Lebensabschnitte) werden praktiziert
  • Erarbeiten von (vorläufig) gesicherten Erkenntnissen (empirische Spiritualität)
  • Es gibt keine Gewissheit – materieller Reichtum hilft nicht (keine Gier)
  • Individuum (ICH) geht zurück – Transzendentes globales Bewusstsein ist im entstehen

Diese oder ähnliche Zuschreibungen an eine höhere, transzendente Macht haben dann zur Gründung von Religionen geführt. Dazu hat Wednesday auch eine Meinung: “Religion weckt in denen, die nichts fürchten, die Furcht Gottes”. Angst kontrollieren zu können ist wohl der beste Weg zur Macht. Angst vor ewiger Verdammnis, vor Blitzschlag, vor Weltuntergang, usw. führen zu enormer Opferbereitschaft. Nur das all diese Gaben nicht den Göttern – sofern sie nicht Menschen sind – zukommen, sondern dem Machtsystem. Die beste Konstruktion ist daher eine Mensch-Gott Einheit. Genauso wie eben in American Gods. Die dortigen Götter zeichnen sich alle durch eine Funktionalität aus – sie sind auf ein Fachgebiet spezialisiert. Alleine die hinduistische Tradition zählt über drei Millionen Götter. Möglicherweise kommt aus der Vielheit der Titel der sechsten Episode – ”Der Götterschwarm”.

Shadow Moon erkennt zusehends mehr, dass die Situation in die er da hineingeraten ist, rational nicht erklärbar ist. Er fragt Wednesday: “Wo war das alles, bevor wir uns trafen?” und bekommt zur Antwort: “An der Peripherie, gleich nebenan. Doch es gibt immer ein Fenster. Die Menschen haben nur Angst hindurchzuschauen. In einer Gefängniszelle ist es sicherer.” Selbst dort ist aber nicht alles sicher. Es gibt keine Sicherheit. Menschen erkannten schon immer Unsicherheiten und Götter haben geholfen diese zu reduzierten. Der Gott der Toten für das Leben im Jenseits, die Liebesgöttin, der Gott der Weisheit, der Kriegsgott. uvm. Diese Funktionen haben Kulturen und Zeiten überstanden. Je nach Kultur und Waffen hatten Kriegsgötter verschiedenen Erscheinungsformen und Fähigkeiten. An dieser Stelle erreichen Wednesday und Shadow die Stadt Vulcan in Virginia.

Sie treffen dort den Waffen-Gott – “Gott des Vulkans”. Dieser war seit Zeiten für die Produktion von Waffen zuständig. Jahrhundertelang war es die Qualität des Schwertes, welches über Sieg oder Niederlage entschied. Genau diese Waffe hatten die alten Götter mit als, sie nach Amerika kamen. Sie waren damit der Rüstung der Natives deutlich überlegen. Der
Waffen-Gott hat Amerika zu dem gemacht, was es heute ist – die militärische Weltmacht. Eisen und Erdöl waren bis zum Ende des kalten Krieges die entscheidenden Ressourcen für den Waffen-Gott. Vulcan wird als eine Eisenhüttenstadt, aus den 1950er Jahren, gezeigt. Mit allen ihren Nachwehen und Erinnerungen an Nazi Deutschland.

Der Gott Vulcan dürfte aber sehr flexibel sein – was die Waffenproduktion anbelangt. Er ist zeitgerecht auf die Produktion von Munition umgestiegen. Der riesige Markt an privaten Waffenbesitzer habe ihm eine neue Religion beschert. Wednesday fragt, wie er das gemacht habe: “Ich habe meinen Glauben konzessioniert. Du bist, was du anbetest. Gott des Vulkans – wer ihn anbetet, hat den Vulkan (die Waffe) in der Hand”. Wednesday vermutet hinter diesen Sprüchen eine Kollaboration zwischen Vulcano und den neuen Göttern. Immerhin hat er schon den Schritt in die Rüstungsindustrie geschafft. Warum dann nicht auch ein zusammenrücken mit dem Technical Boy? Tatsächlich ist die Rüstungsindustrie wahrscheinlich jenes Segment, welches den allerhöchsten technischen Fortschritt macht. Cyberwar und Drohnenkriege sind eben nicht mehr Science-Fiction, sondern schon Realität. Heutige kriegerische Auseinandersetzungen finden immer weniger am Schlachtfeld statt, sondern sind Mixed Reality mit KI Unterstützung. Das Agieren des amerikanischen Pentagon lässt diese Schlussfolgerung zu. Früher wurden Truppen in das Kriegsgebiet geschickt (Irak 1und2). Heute ist keine Kampftruppe in Nordkorea, obwohl die Amerikaner dort in digitaler Form präsenter sind, als es real überhaupt möglich wäre. Wahrscheinlich können sie alle dortigen Computer einsehen, kennen Raketenstarts besser als hochrangige koreanische Militärs und können mit Kim Jong-un sein Tagesprogramm miterleben.

Digitale Spione und der KI-Soldat haben in ihrer Erscheinungsform mit traditionellen Waffen nichts mehr ähnlich – sie könnten auch Spielzeug sein. Ein Drohnenpilot sitzt nicht einmal in einem Bunker, sondern in einem Viersternehotel zehntausend Kilometer vom Schlachtfeld entfernt. Es ist kaum ein Unterschied in der Bedienung ob er spielt oder tatsächlich kämpft. Einzig und allein der UnDo Button funktioniert im realen Cyberwar nicht. Wenn Menschen tot sind, dann bleiben sie es auch – für gewöhnlich, so sagt Moon zu seiner toten lebenden Frau Laura. Einen Waffen-Gott braucht es nicht mehr, weil das der Technical Boy ohnehin macht. In der Auseinandersetzung tötet Wednesday, mit dem neuen Schwert, seinen göttlichen Freund Vulcano und wirft ihn in den kochenden Stahl. Damit gibt es in Amerika den alten Gott der Waffen nicht mehr. Traditionelles Militär hat dann nur mehr repräsentative Aufgaben – um noch einmal den Vergleich zu Nordkorea herzustellen. Der Stechschritt der paradierenden Armee dort ist bei Weitem weniger gefährlich als der Technical Boy (Trump), der digitalen Krieg spielt. In der ersten Episode hat er Shadow aufgehängt – einfach nur so. Er ist ein Boy und völlig unberechenbar.

American Gods 1.6

Götter sind nun eine menschliche Konstruktion, deren Wesen von der jeweiligen Kultur bestimmt ist. Die Anthropologen kennen zwischenzeitlich fünf solche großen Kulturräume und bezeichnen sie als anthropologische Räume. Sprachlich auf die Serie angepasst sind dies: Hunter, Warrior, Producer, Digitals und Spirituals. Korrespondierend zum jeweiligen Raum haben sich die Götterwelten: Naturgötter, Steingötter, Schöpfergötter, Technogötter und WirGötter entwickelt. Ausschlaggebend für deren Entwicklung ist das Medium, über das der Mensch mit ihnen in Kontakt getreten ist. Auch hier die Reihenfolge: Sprache, Skulpturen, Schriften, Intelligenz und Bewusstsein. Weiteres können den Göttern folgende Eigenschaften zugeschrieben werden: animistisch, egozentrisch, materialistisch, systemisch und holistisch. Richtigerweise kann über die Technogötter noch nicht sehr viel gesagt werden. Sie sind ja noch in Entwicklung. Die WirGötter sind ohnehin noch spekulativ. Jedoch wie der Name schon sagt, würden sich die Menschen zu Göttern entwickeln. Ob es dazu eine Post- und Transhumane Stufe braucht, kann ebenso nur vermutet werden. Auf jeden Fall führt die Serie American Gods dazu, sich darüber Gedanken zu machen.

PS:
Laura zu Moon: “Du bist da in was verrücktes hineingeraten und ich werde dich beschützen”.

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