Anubis

Schnee im Gehirn – Sind Götter Realität oder Fiktion

 

In der Episode 3 kommen die ägyptischen Götter auf die Bühne. Anubis der Gott des Todes, dargestellt von Mr. Jacquel, hatte im antiken Pantheon eine große Bedeutung. Der Tod ist für den Menschen die einzige sichere Realität. Dies deshalb, weil er sich dessen auch bewusst ist. So kann gefolgert werden, dass Tod auch ein Zugang zum Bewusstsein ist und dass dieses das Sterben möglicherweise überdauert. Menschen leben also in zwei Welten gleichzeitig. In der Physikalischen, die durch unser Gehirn berechnet und von den Sinnessystemen gespeist wird und reproduzierbar ist. Sowie in einer Fiktionalen, die auf Glauben fundiert, unendlich und hypothetisch ist. Mr. Wednesday zu Shadow: “Sie glauben an nichts – daher haben sie auch nichts”. Wir wissen wie stark eine Vision, ein Traum und eben ein Glauben sein kann. “Alleine der Glaube an die Götter hält Sie am Leben”, so Wednesday. Er meint, dass er vor dem Vergessen werden größere Angst hat, als vor den neuen Göttern.

Der Totenkult des antiken Ägyptens ist bekannt. Die Menschen haben ein ganzes Leben für ihre Grabstätten gearbeitet, die ein Weiterleben im Jenseits ermöglichen sollte. Für die irdischen Götter (Pharaonen) haben hunderttausende Menschen bei der Errichtung der Pyramiden und er Königsgräber geschuftet und viele von ihnen sind selber dafür gestorben. Das Geschäft mit dem Tod ist in jeder Religion in unterschiedlicher Weise zu finden. Im Christentum glaubten die Menschen herauf bis ins Spätmittelalter an eine leibliche Wiederauferstehung. Auch ist die “Abrechnung” an der Schwelle des Todes bekannt – das jüngste Gericht. Anubis – Mr. Jacquel – führt eine gerade verstorbene muslimische Frau zu einer Waage, bei der ihr Herz (Gutes/Böses) gegen eine Feder abgewogen wird. Danach wird über ihr weiteres, ewiges Schicksal bestimmt und sie darf sich eine von fünf Türen für ihr ewiges Leben aussuchen. All diese Mythen kommen immer mehr in Vergessenheit. In einer säkularen Gesellschaft, wie in den EU, USA, China, glaubt kaum mehr jemand wirklich an ein Weiterleben nach dem Tod. Obwohl die Sehnsucht danach, nach wie vor besteht. Aus diesem Bedürfnis vermengt, mit technologischen Lösungen und Science-Fiction, entstand der Transhumanismus. Darunter versteht man eine Lebenseinstellung, die Technologie als Lebensverlängerung bis hin zur Unsterblichkeit akzeptiert. Der Anfang dieser Geisteshaltung ist bei Friedrich Nietzsche zu finden. In NIETZSCHES “Übermensch” sind bereits Ansätze dazu zu finden. Viele Denker sind heute der Überzeugung, dass radikale Lebensverlängerungen durch Gentechnik, Nanotechnik und Medizin möglich werden. Die Götter in Weiß, so werden Ärzte jetzt schon bezeichnet, wären dann eine Vorstufe der “Neuen Götter”. In den bisherigen Episoden sind die Neuen noch wenig in Erscheinung getreten, aber sie arbeiten im Hintergrund. Das Human Genome ist bereits entschlüsselt. Der ägyptische Totenkult war ebenfalls eine Hochtechnologie. Einen Leichnam über Jahrtausende zu präparieren ist schon eine enorme Leistung. Auch die neuen Götter werden sich der Technologie bedienen, aber eine völlig andere Spiritualität damit verbinden. Letztendlich geht es aber beiden Götterwelten um die Macht über den Menschen. Jener Gott, der den Tod besser beherrscht und das auch gut vermarkten kann, wird der mächtige Neue.

American Gods 1.3

Shadow Moon ist ein Realist. Er glaubt nur, dass er sieht und versteht. Wednesday hingegen als Gott weiß, dass dies nur ein extrem kleiner, beschränkter Ausschnitt ist. Obwohl Shadow schon allerlei Unmögliches erlebt hat, glaubt er an keine Fiktionen. Auch seine tote, lebende Frau Laura hält er noch immer für einen Traum. Wednesday braucht für seinen Bankraub einen ungewöhnlichen Kontext. Schneefall zu dieser Zeit würde Aufmerksamkeit erregen und von seiner Aktion ablenken. So beauftragt er Shadow, sich mental auf Schnee zu konzentrieren und es beginnt dann tatsächlich auch zu schneien. Shadow merkt das erste Mal, dass er Ursache für eine unnatürliche Wirkung ist. Langsam beginnt er an Fiktionen zu glauben. In der Konversation mit der Jüngsten der Zorya Geschwistern wird wieder eine Fiktion real. Sie holt für ihn den Mond vom Himmel und verwandelt diesen in eine Silbermünze. Zorya: “Verliere sie nicht, die Sonne hattest du schon” und meint damit die Goldmünze und mehr noch seine Frau. Die alten Götter versorgten die Menschen mit Fiktionen wie ein Leben nach dem Tod, Frieden allen Menschen, Jungfrauen im Paradies, usw. Letzteres ist ein Beispiel aus der islamischen Tradition.

Der Islam ist derzeit jene Religion, die am stärksten das “Sexuelle” als Kontrollinstrument einsetzt. Geschlechtsverkehr vor der Ehe ist undenkbar. Verkehr mit gleichem Geschlecht führt zu sofortiger Hinrichtung. Neil Gaiman hat dieses Problemfeld den alten Göttern zugeordnet. Ein junger Araber aus dem Oman sollte in den USA “Ramsch” für seinen Schwager verkaufen – den niemand haben will. Dabei lernt er den Taxifahrer, einen “Jinn” kennen. Laut Koran ist dies das dritte Geschöpf, neben Engel und Menschen, die Allah erschaffen hat. Dschinn sind Wesen, die man mit üblichen Waffen nicht besiegen kann. Dazu braucht es schon magische Kräfte. Beide kommen sich bei einer Taxifahrt näher und verbringen daraufhin eine Liebesnacht im Hotel. Eine Szene eines homosexuellen Aktes, wie sie kaum im TV zu sehen ist. Wirkt für Muslime sehr abstoßend und ist hier auch das Signal, dass Neues im Anziehen ist. Jeder der alten amerikanischen Götter hat, was die gesellschaftliche und kulturelle Entwicklung anbelangt, etwas anderes zu befürchten. Alle gemeinsam haben aber den Technical Boy und die Media als Bedrohung.

Die technische Entwicklung in den letzten 100 Jahren, bis herauf zum Internet, waren naturwissenschaftliche Arbeiten. Da war keine Alchemie, Zauberei oder Fiktion dabei. Hypothesen, Versuche und Messungen führten zu Naturgesetzen. Ohne elektromagnetischem Feld und Quantenmechanik keine Smartphones. Diese Entwicklungen brauchten genau das, nicht was die alten Götter so stark machten – nämlich Fiktionen. Obwohl diese eine enorme Kraft wie Pyramiden, Kreuzzüge, Terrakotta, uvm. beweisen. Die neuen Götter Amerikas werden zusätzlich zur Naturwissenschaft auch noch ihre göttlichen Kräfte einsetzen, um die Menschen für sich zu gewinnen.

In keinem Land, außer den USA, gibt es so viele Kulturen – Götter. Deren Verhalten ist im Laufe der Jahrhunderte verschmolzen. Czernobog, Wotan, Anubis, Anansi, Zorya, Jinn, Siri, usw. alle haben die Menschen beherrscht. Macht haben – das wollen auch die neuen Götter. Dafür werden sie den Menschen wieder eine Fiktion geben müssen; welche? Bis das geklärt ist, spielen die alten Götter weiter. Shadow hat Czernobog zu einer weiteren Party überredet und diese auch gewonnen.

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