Der Transhumanismus und die Rückkehr der Götter

Bewusstsein 2.0

Bewusstsein 2.0 – Teil 20

Wer möchte nicht lange in bester Gesundheit leben, glücklich sein, finanziell abgesichert und eine friedliche Zukunft erwarten? Wohl doch jeder Mensch. Eigentlich ist das schon die Definition von Humanismus gewesen. Demnach ist: “Der Mensch das Maß aller Dinge, möchte sich weiterentwickeln und muss sich dazu immer wieder Selbst überwinden”. Wir alle haben schon Erfahrung mit Persönlichkeitsentwicklung gemacht. Zum Zeitpunkt des Abnehmens, Coffein-Entzuges, Muskelaufbaus, wenn wir ein Musikinstrument lernen usw. Es war nicht nur unlustig, sondern es hat manchmal sogar Schmerzen bereitet. Während der Übungen könnte aber auch schon ein “Flow Zustand” – Zustand höchsten Glückes – aufgetreten sein. Zumindest nach Erreichen des Ziels haben Menschen ein höheres Selbstbewusstsein. Sie sind über sich selbst hinausgewachsen. Das genau ist es, was uns Transhumanismus verspricht und das alles ohne Leid, Schmerz, Willensstärke – einfach so nur durch Technologie.

Transhumane Wesen hätten dann Eigenschaften, die das Humane bei weitem überschreiten und das Potential besitzen, einen evolutionären Sprung zu einer neuen Art auszulösen. Befürworter dieser Entwicklung sind dann die Transhumanisten, welche den Gebrauch von Techniken bejahen um den Menschen zu transzendieren. Alleine das Wort “Trans” besagt ein Überschreiten des jetzigen Zustandes. Dies kommt auch bei Transformation, Transcoding, Transit, usw. zum Ausdruck. Wenn ich nun Transhuman wäre, was würde ich von mir selber erwarten? Eine Superintelligenz mit bestem Langzeitgedächtnis, gleichzeitiger Zugriff auf alles Wissen der Humanen, eine lange Gesundheitsspanne bis hin zur Unsterblichkeit und natürlich beste körperliche Kondition. Von anderen Transhumanen würde ich größte Moralität, Empathie, Friedlichkeit, Achtsamkeit uvm. erwarten.

All diese Gedanken und Wünsche sind ja nicht ganz neu. Im Mittelalter, also zur Zeit der höchsten Machtausdehnung der katholischen Kirche, bestand das Transhumane im Jenseits. Dazu brauchte es im Diesseits sehr viel und bedingungslosen Gehorsam. Man musste Verhalten und Fähigkeiten entwickeln, die eben nicht human waren. In eisiger Kälte in der Kirche sitzen, um vier Uhr früh aufstehen, permanent fasten, uvm. Oberstes Gebot war die Selbstüberwindung. Das “Trans” geschah durch Sterben und im Idealfall mit dem damit verbundenem Eingang ins Paradies.

Die darauf folgende Moderne (Rene Descartes) hat zu einem “naturalistischen” Weltbild geführt. Das war ein ziemlich harter Umbruch, der auch mit vielen sozialen Unruhen und kriegerischen Auseinandersetzungen begleitet war. Hat im Mittelalter der Geist / Gott jedwede Materie bestimmt, so ist es in der Moderne die Materie, die den Geist hervorbringt. Damit war auch das Zeitalter des Materialismus und der Naturwissenschaften angebrochen. Menschen konnten nun selbstbestimmt handeln, ihr Leben gestalten und fanden das “ICH”. Damit ist aber auch die Selbstverantwortung und die Notwendigkeit, sich ständig selber verbessern zu müssen, hinzugekommen. Das Überleben ist jetzt nicht mehr von Gott abhängig, sondern weitgehend vom Selbst. Wer intelligenter, kräftiger, gesünder, usw. war, hatte ein besseres Leben. Diese Fähigkeiten mussten wiederum erarbeitet werden, was meist auch mit Schmerzen verbunden war. In einer Fabrikhalle bei schlechter Beleuchtung und unter Schadstoffeinfluss vierzehn Stunden zu arbeiten, bedurfte auch einer enormen Selbstüberwindung. Trotzdem konnten Menschen erkennen, dass damit eine Verbesserung der Lebensumstände möglich war. Genau diese Erkenntnis führte zum Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland.

Der Philosoph Friedrich Nietzsche postulierte den Übermenschen. Für viele Beobachter des Transhumanismus gilt Nietzsche als dessen Vater. Er bezeichnet den heutigen Humanen als ein in Entwicklung befindliches Wesen. Ähnlich einer Raupe die einmal ein Schmetterling werden soll. Da dies nicht alle gleichzeitig schaffen, ist mit unterschiedlichen Arten zu rechnen. Die Nationalsozialisten haben möglicherweise daraus die eigene Herrenrasse abgeleitet. Diese galt es dann in zwei weiteren Stufen zu verbessern. Einerseits durch Selektion und andererseits durch Adaption. Sogenanntes “nicht lebenswertes” Leben wurde ausgeschieden (Todeslager) und junge starke Männer wurden für den anstehenden Krieg ertüchtigt (Wehrertüchtigungslager). Der Begriff der Eugenik ist mit dieser Zeit verbunden. Das ist die Lehre von der Verbesserung des biologischen Erbgutes des Menschen. Damit verbunden ist die Vermehrung von Menschen die gewünschte Erbanlagen haben. Damals reduzierten sich die Methoden auf Kastration und Tötung. Selbst wenn heute über gentechnische Manipulation – Krankheiten oder Behinderungen im Erbgut bereits beseitigt werden können und eigentlich der gleiche Effekt auftritt, wird dafür der Begriff Eugenik nicht verwendet. Bis zu Beginn des 21. Jhdt. war Eugenik und Transhumanismus ob der Humanen Katastrophe, verursacht durch die “Herrenrasse”, kaum existent.

Mit der enormen Leistungssteigerung von Computern war es möglich das menschliche Genom wesentlich schneller zu entschlüsseln als erwartet. Damit verbunden sind auch genetische Manipulationen. Erbkrankheiten werden bereits vor dem embryonalen Stadium   mittels der pränatalen Implantationsdiagnostik behandelt. Mit gleicher Technik kann man nun eben nicht nur genetisch verursachte Beeinträchtigungen ausschalten, sondern auch allgemeine Verbesserungen, wie es die Transhumanisten wünschen, durchführen. Man spricht halt nicht mehr von Eugenik sondern von genetischem Enhancement. Die derzeitigen Errungenschaften der Gentechnik gehören zu den sekundären Effekten der Digitalisierung. Transhumanismus bekommt mit Digitalisierung an sich eine völlig andere Bedeutung. Wahrscheinlich sind wir bereits am Weg zum Transhumanen.

Es gibt nun zwei Möglichkeiten – die Kohlenstoff- oder die Siliziumbasierte. Bei ersterem bleibt der menschliche Körper prinzipiell wie er ist. Allerdings genetisch so verändert, dass er dem Idealbild eines Transhumanen entspricht. Das wäre dann eine monistische Sichtweise mit Körper und Geist aus einer Substanz (östliche Philosophie). Materie und Geist, also aus ein und derselben Quelle. Ein Cyborg würde diesem Modell zwar entsprechen, man weiß allerdings dann nicht mehr wo der biologische Körper aufhört und der Künstliche, Mechanische und Digitale beginnt. Dazu kann man sich den Film “Ex Machina” ansehen. Ist ein Mensch der “advanced” Hörgeräte trägt, die vom Smartphone gesteuert werden und sich an das Umfeld anpassen, schon ein kleiner Cyborg? Aufgrund eines Unfalles mit Gehörschaden trage ich selber ein solches System. Da ich nun diese Hörerfahrung gemacht habe, die eben nicht nur meine Behinderung behebt, sondern das Hören in eine selbst für normale Menschen andere Dimension bringt, ist es eben nicht mehr nur eine “Krücke”. Würde ich mir diese “Enhancer” auch ohne Behinderung kaufen? Ja, allerdings müssten sie noch deutlich bequemer zu tragen sein.

Bei der Silizium Version verlässt der menschliche Geist seinen biologischen Host. Man denkt dabei an ein Uploading seines Gedächtnisses und seines Bewusstseins in eine Cloud. Diese Variante von Transhumanismus würde die naturalistisch-dual-westliche Philosophie bestätigen. Geist und Materie wären dann von ungleicher Substanz. Ein einmal hochgeladener Geist könnte sich beliebig oft kopieren und auf verschiedenster Hardware (Roboter) residieren. Er wäre damit auch unsterblich. Hierzu könnte man sich den Film “Transcendence” ansehen.

Der Transhumanismus - Bewusstsein 2.0

Primäre und sekundäre Digitalisierung ist also die Basis für einen Transhumanen. Natürlich sind für all diese obigen Überlegungen die heutigen Computer, Medien und Speicher noch zu wenig leistungsfähig. Jetzt kommt der eigentliche Transhumanist Ray Kurzweil ins Spiel. Kurzweil prophezeit für das Jahr 2045 die Singularität. Ein Zeitpunkt bei dem die Rechenleistung so groß ist, dass sie besser ist als alle globalen menschlichen Gehirne zusammen. Menschen und Maschinen vereinigen sich zu einem etwas völlig Neuem. Der Humanismus endet möglicherweise mit der Digitalisierung. Ob wir einem besseren Leben entgegensehen wissen wir nicht. Evolution verläuft auf jeden Fall disruptiv.

Was tun wir dann?

Die Naturalisten: Menschen werden nicht mehr länger die Krone der Schöpfung sein, sondern werden graduell verschieden von anderen Wesen gesehen.
Die Humanisten: Neue Bescheidenheit, weil Humane dann nicht mehr länger als unendlich besser als andere natürliche/künstliche Wesen gesehen werden.

Oder wieder zurück zu den Anfängen!

Jahrtausende lang und auch heute noch, haben Götter sowohl menschliche als auch göttliche Eigenschaften. Erstere brauchten sie um für die Sinnessysteme der Menschen erreichbar zu sein. Man muss sich einen Gott auch vorstellen können. Die göttlichen Eigenschaften wurden zur Machtausübung eingesetzt. Als Beispiel dient der griechische Pantheon. Auch deshalb, weil dadurch die heutigen Gott-Mensch Beziehungen nicht diskreditiert werden. Die griechischen Götter waren allesamt transhumane Wesen. Ihre äußerst menschlichen Beziehungskonflikte wurden mit übernatürlichen Kräften ausgetragen. Götter werden häufig in einem Umfeld mit viel Farbe, Musik, Licht, usw. dargestellt. So ein Ambiente haben heute Superstars aus Sport, Politik oder Pop. Die dort installierten Licht- und Videoeffekte in Verbindung mit Musik erzeugen eine Anderswelt. Wenn nun der Star noch dazu übermenschliche Fähigkeiten hätte, wie z. B.  die schwebende Helene Fischer im Fußballstadion, dann wären die Götter zurückgekehrt.

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