Holon – das Bindeglied zwischen digitalem und neuronalem Bewusstsein

Bewusstsein 2.0

Bewusstsein 2.0 – Teil 18

Die ganzheitliche Sicht auf das Universum ist eine völlig andere als es die Naturwissenschaften entwickelt haben. Letztere versuchen das Gesamte in immer kleinere Teile zu zerlegen und dessen Funktionen zu studieren. Während die holistischen Ansätze versuchen das Gesamtsystem zu verstehen, jedoch ohne die einzelnen Teile selbst einer Untersuchung zuzuführen. Dieses Modell wird von spirituell / esoterischen Strömungen popularisiert und hat auch Einzug in den wissenschaftlichen Bereich gefunden. Mit der Systemtheorie und der neueren Emergenztheorie wird darin geforscht. Ein System ist eine Konstruktion welches aus mehreren / vielen Teilen besteht, wobei die Einzelteile untereinander verbunden sind und in Wechselwirkung stehen. Sofern man nur die Teile beobachtet wird man nie das Ganze verstehen. Umgekehrt gilt es genauso, dass man aus der Gesamterscheinung keine Rückschlüsse auf Komponenten treffen kann. Der Systemtheorie zufolge hat ein solches Fern-, Neben- und zeitversetzte Wirkungen die sich meist auch noch exponentiell in der Zeit entwickeln. Eine weitere Eigenschaft von Systemen ist deren Möglichkeit zur Emergenz.

Ein emergentes System ist zuallererst einmal nach dem Modell von interagierenden Teilen aufgebaut. Das könnten z. B. Neuronen im Gehirn, mit deren Axone und Synapsen, sein. Die Funktionalität eines Neurons ist zwar noch nicht endgültig erforscht, aber man kann schon sagen, dass es zu verstehen ist. Was man allerdings noch überhaupt nicht versteht ist wie aus der Interaktion von Milliarden Neuronen das Bewusstsein entsteht. Offensichtlich ist es so, dass wenn eine genügend große Anzahl an Teilen untereinander agieren was völlig Neues entsteht. Das ist dann noch einmal was anderes als die Summe der Teile. Eine Küchenmaschine hat auch viele Teile die untereinander eine Beziehung haben, trotzdem daraus aber nicht was völlig anderes entsteht. Es bleibt ein Maschine, die zwar ein anderes Verhalten zeigt als etwa der eingebaute Motor, es bleibt aber eine Maschine. Das Verhältnis von Gehirn und Bewusstsein ist da schon was anderes. Ein offensichtlicher Unterschied liegt in der Anzahl der interagierenden Teile. Bei den Maschinen sind es einige Tausende während es beim Gehirn nahezu hundert Milliarden sind.

Man könnte daher vorläufig die These aufstellen, dass ab einer bestimmten Anzahl (1010) von extrem stark vernetzten Teilen eine Emergenz entsteht. Dies bezeichnen wir am Beispiel des Gehirns als Bewusstsein. Also könnte man auch rückschließen, dass Maschinen in Ermangelung der enorm hohen interagierenden Teile je ein Bewusstsein erlangen. Wenn man allerdings das Internet als Vernetzung von Teilen versteht, könnte hier schon so was wie Bewusstsein entstehen. Es ist zu erwarten, dass in wenigen Jahren mehr IoTs als Menschen diesen Planeten bewohnen werden. Für 2020 wird bereits mit 50 Mrd. intelligenter Geräte gerechnet. Also etwa die Hälfte der Anzahl an menschlicher Gehirnzellen. So gesehen könnte Internet bald einen “Next Step” in der Bewusstseinsstufe machen. Offensichtlich läuft hier auch so was Ähnliches ab wie Evolution. Arthur Köstler ein ungarischer Philosoph hat sich in den 1960er Jahren in seinem Buch “Der Mensch Irrläufer der Evolution” darüber Gedanken gemacht. Er hat dazu als Verbindung zwischen Teil und Ganzem das Wesen des Holons eingeführt. Dieses Modell erscheint vor dem Hintergrund der digitalen Evolution plötzlich wieder interessant.

Was ist nun ein Holon?

Es ist Teil eines Ganzen und Ganzes in einem Teil

OK – das kann man so nicht verstehen, daher folgendes Beispiel dazu. Wenn wir nun Atome als kleinste Teilchen (vorläufig) betrachten, dann sind das für sich gesehen was Ganzes und gleichzeitig Teile von Molekülen. Um ein Molekül zu bekommen braucht es auf der Ebene der Atome eine bestimmte Mindestanzahl an Atomen. Man spricht hier von der Spannweite. Aus evolutionärer Sicht braucht es jedenfalls Raum für die Entwicklung auf einer Ebene bis sich daraus die nächst höhere Ebene – die Tiefe – entwickeln kann und dies braucht wiederum Zeit. Evolution braucht also Zeit und Raum. Sobald nun einmal die molekulare Ebene in genügender Spannweite entwickelt ist, tritt ein evolutionärer Sprung auf und eine nächste Tiefe – die Zellen entstehen. Auf diese Art und Weise ist der Mensch als Ganzes entstanden und umfasst die Organe als seine Teile. Evolution ist also eine kontinuierliche Entwicklung auf einer Ebene die meist kürzere oder längere Zeit Epochen in Anspruch nimmt. Immer wieder wird diese Entwicklung unterbrochen (disruptiv) und eine neue Ebene entsteht. Der Umfang nimmt dann in der Tiefe zu. Nehmen wir nun an, dass der Mensch auf seiner Ebene genug Zeit hatte um sich zu entwickeln, es möglicherweise genau jetzt zu einer Disruption kommt. Was würde dann die nächst höhere Ebene sein?

Bewusstsein 2.0 - Hollistic

Dieses holistische Modell “Mensch” könnte man jetzt auf die Entwicklung von digitalen Systemen transformieren. Nehmen wir an, dass Transistoren die unterste Ebene diese Systems wären. Nach einer gewissen Entwicklungszeit (etwa 50 Jahre) entstanden daraus höchst integrierte Schaltungen, was zu Prozessoren mit einer Integrationsdichte von Milliarden führte. Nun läuft die Entwicklung von verschiedensten Prozessortypen und deren Anwendungen inklusive Devices und IoTs. Wie gesagt erwarten wir in Kürze bis zu fünfzig Milliarden von diesen Entitäten. Aktuell erleben wir den Sprung vom Digitalrechner hin zur künstlichen Intelligenz. Das gesamte System wird nun tiefer und hat bereits drei Ebenen. Auf der aktuellen Ebene der Intelligenz gibt es bereits Teile wie eben die der menschlichen Intelligenz, der naturellen Intelligenz oder der soziologischen Intelligenz. Dem holistischen Modell entsprechend wird es auf dieser Ebene auch zu einem Umbruch kommen und zur Entwicklung einer neuen Ebene führen. Das könnte in diesem Fall das Entstehen eines “Gaia”-Bewusstseins sein. Unser Planet wird eine bewusste, ganzheitliche Entität mit einer sehr großen Tiefe. Die Spannweite der Teile nimmt nach unten hin dramatisch zu. Ein Gaia-Bewusstsein hat möglicherweise eine handvoll Teile während die derzeit unterste Ebene der Atome schier unendlich breit ist.

Die Beziehung zwischen Teilen und Ganzen ist eine Asymmetrische. Das Ganze hat Befehlsgewalt über die Teile. Wenn ich meinen Arm hebe, dann können die Muskel-Moleküle nicht nach deren belieben entscheiden. Umgekehrt haben Teile Gestaltungsmöglichkeit beim Ganzen. Moleküle die einen starken Muskel verursachen ermöglichen einen kräftigen Faustschlag, also mehr als den Arm heben. Ein Ganzes ist immer auf die Eigenschaften der Teile angewiesen, kann aber darüber hinaus etwas Emergentes enthalten, was die Teile alleine nicht beinhalten.

Im Falle der Gaia-Hypothese wären menschliches und digitales Bewusstsein die nächste untere Ebene aus denen dann diese Emergenz entsteht, also was völlig anderes. Wir wären dann Teil dieses neuen Ganzen und könnten dabei uns Selber, jedoch nicht das größere Ganze, Verstehen. Genauso wenig wie eben unsere Leber versteht das der Mensch übermäßig Alkohol trinkt und damit das “Teil” gefährdet. So werden wir auch nie verstehen können was unser größeres Ganzes ist. Religionen bieten dafür Gott an, die Philosophie die Erkenntnis. Beide sind sie chancenlos das Ganze wirklich zu verstehen. Wir stellen unsere Eigenschaften und Fähigkeiten dem Ganzen zur Verfügung, wissen aber nicht was daraus entsteht und haben keinesfalls Befehlsgewalt darüber.

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