Der spirituelle Weg zum Sieg bei der Fußball Europameisterschaft 2016

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In der aller ursprünglichsten Form ist Fußball ja ein Spiel gewesen. Er hat sich durch Institutionalisierung – wie eben Fußballverbände – und durch Professionalisierung – wie eben bezahlte Fußballer – zu einem Business entwickelt. Sofern man die Fußball-Europameisterschaft auch noch als Spiel oder einzelne Spiele betrachten könnte, kommt man auf die Spieltheorie.

Dies ist ein mathematisches Modell, welches sich auf Zufälligkeiten, geplanten und ungeplanten, eigenen und gegnerischen Spielzügen beruft. Diesem Modell müsste in Zukunft noch mehr Bedeutung beigemessen werden, dies deshalb, weil uns durch digitale Techniken wesentlich mehr Daten zur Verfügung stehen und durch Rechnerleistung auch mehr Analysemöglichkeit angeboten wird. Es klingt derzeit noch ungewöhnlich, aber es ist durchaus denkbar, dass durch Videoanalysen von den Spielern der beiden Mannschaften eine Aussage über den Spielverlauf getroffen werden kann. Möglicherweise können dann auch noch Kontextbedingungen – wie z. B. Wettprognosen – mit einfließen.

Ein völlig anderes Modell von Spielen hat der amerikanische Jesuiten-Pater und Theologieprofessor – James P. Carse entworfen. In seinem Buch „Finit and Infinite Games“ stellt er zwei verschiedene Geisteshaltungen zu Spielen vor. Bei der ersten Version – dem endlichen Spiel – geht es darum, dass im Rahmen eines Spieles der Sieg erreicht wird. Unter dem Motto „Koste es was es wolle“ ist es nur wichtig zu gewinnen. Dabei gelten immer die gleichen Regeln, das Spielfeld ist immer das gleiche und die Ernsthaftigkeit ist groß. Im Gegensatz dazu ist das Ziel eines unendlichen Spieles möglichst lange im Spiel zu bleiben. Es geht nicht um das Gewinnen, sondern um das Spielen. Dabei können sich die Regeln verändern, die Grenzen des Spielfeldes können sich verschieben und der Spaßfaktor ist groß. Im Prinzip hat Carse beim unendlichen Spiel eigentlich die Einstellung des Menschen zum Leben im Allgemeinen gemeint – also nicht alles so ernst nehmen, ein bisschen spielerisch sein, die Arbeitswelt selbst gestalten. Wenn einmal was daneben gegangen ist oder daneben geht, wird’s beim nächsten Mal wieder besser.

Diese Geisteshaltung setzt sich auch in der Wirtschaft immer mehr durch. Gerade in komplexen Systemen erleben viele eine gewisse Machtlosigkeit und dieser könnte man mit der Lebensweisheit eines „unendlichen Spieles“ begegnen.

In der weiteren Folge stellt sich die Frage, ob das Modell von endlichen und unendlichen Spielen auch auf ein Turnier wie der Fußball-Europameisterschaft angewendet werden kann. Dazu sind im Bild die jeweils polaren Ausprägungen aufgeführt, welche die wesentlichen Unterschiede zwischen diesen beiden Spieltypen ausmachen.

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Eminenz – Emergenz

Das Spannungsfeld zwischen Eminenz und Emergenz beschreibt die Erscheinungsform der Mannschaft. Eine Mannschaft mit einem hohen Anteil von Eminenz hat einen oder mehrere Stars im Team. Das sind diejenigen Spieler, die sehr häufig im Ballbesitz sind, vom Reporter oft erwähnt werden und selbstverständlich auch Tore schießen. Diese werden gegenüber allen anderen Spielern erhöht und sind die Eminenz. Sofern das nur ein Spieler ist, ist die Eminenz-Wirkung noch größer, als wenn es mehrere Spieler sind.

Unter Emergenz versteht man eine Mannschaft, die als homogenes geschlossenes Gesamtes wirkt. Es gibt keine herausragenden Spielerpersönlichkeiten, alle leisten ihren Anteil. Es schaut so aus, als ob hier ein Schwarm spielt – so wie ein zusammengehörender Organismus.

To Win – To Play

Diese beiden Polaritäten beschreiben das Ziel, welches von den Spielern hineingelegt wird. Beim endlichen Spiel ist das Ziel ganz einfach – eben zu gewinnen. Ein Fußballspiel gewinnt man, wenn man mindestens ein Tor mehr schießt als der Gegner. Für ein Fußballturnier würde das dann bedeuten, dass du Sieger bist, wenn du alle Spiele gewinnst. Umgekehrt gesprochen, du darfst also nicht verlieren. Bei unendlichen Spielen möchte der Spieler möglichst lange im Spiel bleiben. Einmal oder auch öfter verlieren ist dabei kein Problem, weil man sich bewusst ist, dass es immer wieder neue Möglichkeiten gibt. Sicherlich ist es unangenehm zu verlieren, aber mit so einer Geisteshaltung wird das alltägliche Leben einfacher. Bei der Fußball-Europameisterschaft würde dieses Ziel möglichst lange im Spiel bleiben auch stimmen, allerdings bleibt man nur im Spiel, wenn man nicht verliert.

Constant – Adjusted

Damit wird die Spieltaktik beschrieben. James P. Carse hat dies in seinem Buch als die Spielregeln erkannt. Selbstverständlich sind die Spielregeln bei einem Fußballspiel ganz klar definiert. Regelverstöße werden geahndet – bislang von einem neuronalem Schiedsrichter. In letzter Zeit auch immer mehr mit digitaler Unterstützung. Unter Berücksichtigung der Spielregeln kann jede Mannschaft noch ihre eigene Taktik entwickeln. Bei den endlichen Spielen ist die Taktik immer konstant. Der damit verbundene Vorteil liegt darin, dass jeder Spieler zu jeder Zeit genau weiß wie er agieren/spielen muss. Die Anpassungsfähigkeit an das Spiel des Gegners ist damit relativ gering. Die Mannschaft zieht immer ihr gleiches Spiel durch. Bei unendlichen Spielen passt die Mannschaft die eigene Taktik an das Spieleverhalten des Gegners an. Für die einzelnen Spieler ist es schwieriger, weil von Spiel zu Spiel die Taktik verändert werden muss. Eingelernte Spielzüge sind einmal günstig und ein anderes Mal kontraproduktiv.

Boundaries – Horizons

Mit dieser Polarität meint James P. Carse das Spielfeld. Selbstverständlich ist bei einem Fußballspiel das Feld genau definiert. Im gegenständlichen Thema versteht man darunter den geistigen Raum. Spieler mit dem Verhalten von Boundaries sind für einen ganz besonderen Raum zuständig. Ein Verteidiger hat seine Aufgabe auf einem bestimmten Areal zu erledigen. Er hat nichts am gegnerischen Tor zu suchen, er muss seine Aufgabe dort erfüllen, wo er hingestellt ist. Dem gegenüber sind Horizons Räume die veränderbar sind. Spieler können also ihren zugewiesenen Raum verlassen, sind gleichzeitig Stürmer und Verteidiger und alles was sich dazwischen bewegt. Fußballexperten sprechen dann von Raumdeckung.

Serious – Playful

Bei einer derartigen Veranstaltung wie bei einer Fußball-Europameisterschaft findet man noch kaum spielerische Aspekte. Nachdem sehr viel Geld damit verbunden ist, hat alles eine sehr hohe Ernsthaftigkeit. Ein Fußballstar der Millionen Euro bezahlt bekommt, ist nicht zum Spielen da. Spielerische Aspekte kann man hin und wieder bei südamerikanischen Mannschaften – im Rahmen von Weltmeisterschaften – sehen. Diese werden aber auch immer seltener.

Power – Strength

Jedes Spiel braucht Energie. Schachspielen braucht sehr viel geistige Energie, Fußball braucht sowohl die Geistige als auch die Körperliche. Es werden hier zwei Arten von Energie unterschieden. Beim endlichen Spiel ist es die Power – also jene Kraft, die eine Mannschaft während 90 Minuten auf das Feld bringt. Die Fußballer sprechen dann von Pressing. Power ist also die momentane Kraft, die während der Spielzeit aufgebracht werden kann und möglichst auf hohem Niveau gehalten wird.

Strength hingegen meint, den ökonomischen Umgang mit Kraft – also diese nur dann einzusetzen, wenn man sie auch wirklich braucht – z. B. zum Tore schießen. Man weiß, dass man nicht nur das eine Spiel zu bewältigen hat, sondern dass es eine unbekannte Anzahl von weiteren Spielen gibt – bei einem Fußball-Turnier ist diese allerdings bekannt. Die Mannschaften sollten sich daher ihre Kraft einteilen.

 

Eine Mannschaft nach dem Finite-Muster

Das Ziel ist auf jeden Fall immer zu gewinnen. Dazu hat die Mannschaft zumindest einen oder mehrere Stars. Die Taktik ist gut einstudiert und immer die gleiche. Alle Spieler haben ihre Aufgaben und Räume zugeteilt und erfüllen dort ihre Pflicht. Es handelt sich um eine ernsthafte Angelegenheit und um das Spiel zu gewinnen, wird die größtmögliche Power investiert.

 

Eine Mannschaft nach dem Infinite-Muster

Das Ziel ist es im Spiel zu bleiben. Seine Kraft so einzuteilen, dass man auch beim Endspiel noch genügend Reserven hat. Während des Turniers ist Spiel und Spaß angesagt. Die Taktik wird jeweils an das Spielverhalten des Gegners angepasst. Die Aufgaben der einzelnen Spieler verändern sich dynamisch während eines Spieles – man ist gleichzeitig Stürmer und Verteidiger. Die Mannschaft erscheint als Ganzes und hat keine herausragenden Stars.

 

Mit diesem Modell können jetzt Fußball-Mannschaften nach deren geistigen und spirituellen Leistungsvermögen bewertet werden. An sich sollte eine Mannschaft mit sehr hohen „Finite-Anteil“ gewinnen. Das sind Eigenschaften die man braucht, um ein einzelnes Spiel zu gewinnen. Das Modell von „Infinite-Games“ ist eher auf Langfristigkeit angelegt und wird sich wahrscheinlich nicht so sehr für ein abgegrenztes Ereignis – wie eben der Fußball-Europameisterschaft – eignen.

Im Laufe des Turniers werde ich einige Mannschaften einer Finite- oder Infinite-Bewertung unterziehen und dann resümierend feststellen mit welcher geistigen Haltung man Europameister wird.

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