Black Mirror 3.5 Männer aus Stahl

Men against fire

Werte:

Friedlich in einem Dorf lebende Menschen werden von einer menschenähnlichen Spezies überfallen. Diese Wesen werden in der Episode als Kakerlaken bezeichnet. Möglicherweise deshalb, weil sie Nahrungsmittel stehlen. Ihr Aussehen ist wenig ästhetisch, verzerrte Gesichter, gerötete Augen, verwahrlostes Gebiss, usw.

Kein Wunder, dass sich die Regierung entschließt, die Armee mit der Ausrottung dieses Übels zu beauftragen. Der Junge Mr. Stripe bewirbt sich bei der Armee und möchte dabei mithelfen. Der Rekrutierungsprozess läuft wie immer. Stripe wird auf Tauglichkeit hin getestet. Bei dieser Gelegenheit muss er auch ein Dokument unterschreiben, in welchem er der Einpflanzung eines elektrochemischen Implantats in seinem Gehirn zustimmt. Er wird darauf hingewiesen, dass dieses System, genannt MASS, seine Sinnessysteme schärft und er damit bei Feindberührung weniger Gefahren ausgesetzt ist.

Bei seinem ersten Einsatz ist Stripe gleich sehr erfolgreich – er konnte zwei der Kakerlaken erledigen. Dafür wird er von seiner Vorgesetzten „Mrs. Hunter“ sehr gelobt. Dabei passiert ein kleiner, nicht nennenswerter, Zwischenfall. Im Nahkampf mit einem Kakerlaken fällt ihm ein laserähnliches Gerät in die Hand, mit dem er sich eher zufällig in die Augen leuchtet – was aber keine unmittelbaren Folgen hat. Am nächsten Tag jedoch fühlt Stripe mentale Störungen die sich ähnlich auswirken wie kurze Bildstörungen am Fernseher. Mit diesem Problem wendet er sich an den Psychologen seiner Einheit. Dort wird keine Störung gefunden und er weiterhin für diensttauglich erklärt.

Beim nächsten Einsatz passiert es dann. Stripe sieht keine Kakerlaken mehr, sondern nur mehr normale Menschen, dort wo seine Kameraden immer noch mit Kakerlaken kämpfen. Er versteht die Welt nicht mehr – warum seine Einheit plötzlich auf normale Zivilisten losgeht. Entsprechend seinem ethisch, moralischen Vorstellungen hilft er diesen bedrohten Menschen und stellt sich gegen die eigene Einheit. Jetzt wird den Verantwortlichen klar, dass in seinem mentalen System (dem implantierten MASS) etwas nicht in Ordnung ist.

In einem Gespräch klärt ihn der Psychologe darüber auf, was diese MASS in Wirklichkeit in seinem Gehirn anrichtet. Es schärft eben nicht seine Sinne, sondern verzerrt diese. Ein Filter sorgt dafür, dass ein bestimmter Typus von Menschen wie Kakerlaken aussieht. Diese ekelhafte Erscheinung soll die Soldaten dazu motivieren, die „Schießhemmung“ zu reduzieren. Es ist für den Menschen viel leichter ein ekelhaft aussehendes Wesen zu töten, als ein ästhetisch Schönes.

Soldaten zielen in Gefechts-Situationen nicht immer auf den Kopf des Gegners, sondern sehr häufig ein bisschen darüber. Diese Erkenntnis wurde im Rahmen des 2. Weltkrieges beim Einmarsch der Alliierten festgestellt. Psychologen haben im Nachhinein die Soldaten befragt, in wie vielen Fällen sie wirklich auf den Gegner gezielt haben und das waren nur 25 %. Daraufhin wurden spezielle Schulungsmaßnahmen für Infanteristen angeordnet, bei denen die „Tötungshemmung“ reduziert werden sollte.

Man braucht keine große Wissenschaft heranzuziehen um zu verstehen, dass ekelhafte, abscheuliche Wesen leichter getötet werden als Mitglieder der gleichen Spezies. Für Heerführer ist es also sehr wichtig, dass die eigenen Kämpfer ein möglichst grauenhaftes Bild vom Feind im Kopf haben. Der Soldat sollte nicht immer daran denken, dass der gegenüberstehende feindliche Soldat auch eine Familie hat, freundlich ist und im Frieden leben möchte. Daher muss vorbeugend für die Auseinandersetzung am Schlachtfeld ein dementsprechendes Feindbild erzeugt werden. Dazu gibt es in der Geschichte einige markante Beispiele.

Im Juli 1099 massakrierten christliche Kreuzzügler in Jerusalem 70.000 Islamisten. Papst Urban II hat in der Synode von Clermont zum ersten Kreuzzug nach Jerusalem aufgerufen, weil „Gott es will“. Diesem gottgefälligen Krieg sind sehr viele Abendländer gefolgt. Selbst der Kirchenphilosoph Augustinus von Hippo hat diesen Krieg mit der „göttlichen Liebe“ argumentiert. Das Christentum ist davon ausgegangen, dass Jerusalem der legitime Besitz von Christen sei. Im Laufe des monatelangen, höchst beschwerlichen Anmarsches auf Jerusalem haben sich die Teilnehmer selber die grauenvollsten Geschichten über Moslems erzählt. Zusammen mit dem göttlichen Auftrag, dem manifesten Feindbild und den Entbehrungen kamen blutrünstigste Menschen in Jerusalem an. Die Legende besagt, dass man in der Stadt nicht mehr gehen konnte, weil so viele geköpfte Leichen herumlagen und das Blut wie Regenwasser floss.

In der neueren Vergangenheit, den meisten von uns bekannt, sind die Juden-Pogrome der Nazi Zeit. Auch hier haben die Verantwortlichen ein dermaßen abscheuliches Bild von den Juden gezeichnet, dass diese nur mehr als Feind gesehen werden konnten. Damit konnte dann eine Tötungsmaschinerie aufgebaut werden, mit der Menschen dann industriell abgeschlachtet wurden, ohne dass die Exekutoren ein schlechtes Gewissen dabei gehabt hätten. Diesem Massaker sind dann 3 Mio. Menschen zum Tode gefallen.

Noch aktueller, aber weniger bekannt, sind die Massaker von Srebrenicas im Juli 1995. Im damaligen Jugoslawien-Krieg wurden von serbischen Soldaten etwa 7.000 bosnische-muslimische Männer ermordet. Verantwortlich dafür Ratko Mladic. Auch er hat zum bewährten Rezept gegriffen, die den vermeintlichen Feind in aller Grässlichkeit dazustellen. In dieser Auseinandersetzung ging es eher um eine ethnische Reinigung. In Herzegowina lebten damals 40 % muslimische Bosnier, 30% bosnische Serben und 30 % bosnische Kroaten. Das war der ursprüngliche Sprengstoff für den Jugoslawienkrieg.

Solche Massaker gab es in der Geschichte immer wieder, nicht nur im Westen, sondern auch im asiatischen und amerikanischen Raum. Immerhin haben die Europäer nahezu alle nordamerikanischen Natives ermordet. Die chinesische Führung 1989, am Platz des himmlischen Friedens, 2.600 Studenten und Arbeiter getötet. Auch schon 1.600 Jahre her, aber heute aktueller denn je, das Massakers von Jasid Husein durch die Sunniten im Jahre 680. Der daraus resultierende Konflikt ist heute zum Großteil für die Gewalt in Syrien verantwortlich.

Individuen würden aus sich heraus kaum oder nur sehr selten einen anderen Menschen töten. Es braucht also Mechanismen, die Menschen zur derartigen Handlungen befähigen.

Männer aus Stahl

Die Menschen erfahren die Realität nicht direkt, sondern nur über die fünf Sinnessystem und diese wiederum liefert auch kein exaktes Abbild. Sie verzerren diese, so dass daraus eine individuelle Wirklichkeit entsteht. Diese Verzerrungen werden als Filter bezeichnet. Es sind Programme (Algorithmen) die Menschen von Geburt aus mitbekommen und sich dann im Leben zusätzlich aneignen.

Die ersten und wesentlichen Filter bekommt der Mensch im Kindesalter von seinen Eltern, während der ersten Lebensjahre. Gefolgt von der Schulbildung und vielen gemachten Erfahrungen. Dabei spielt Penetration eine wesentliche Rolle. Ständige Wiederholungen führen dazu, dass Menschen ungeprüft etwas für richtig halten. So gesehen haben Koranschulen eine sehr hohe Wirksamkeit, wenn man tausendmal eine Sure wiederholt hat, glaubt man diese auch.

Im hedonistischen Weltbild gibt es zwei wesentliche Einflussfaktoren für den Menschen. Einerseits Lust/Gewinn und andererseits Pein/Vermeidung. Diese zwei genetischen Programme sind natürlich gut geeignet weitere Filter  zu entwickeln. Wem es in der westlichen Konsumgesellschaft gut geht, weil er ja Jahrzehnte lang im Überfluss gelebt hat, kann sich Hunger nicht vorstellen.

Religionsführer nutzen natürlich diesen Mechanismus und sorgen dafür, dass Ungläubige sofort als Feinde erkannt werden. Ähnliches haben faschistische Führer gemacht. Den Nazis ist es gelungen die eigene Rasse so zu überhöhen, dass alle anderen als Feinde gesehen wurden.

Filter sind dafür verantwortlich, dass wir die objektive Realität nur mehr als subjektive Wirklichkeit erkennen. So werden aus Fakten Geschichten, aus physikalischen Größen Gefühle und aus Menschen entweder Feinde oder Freunde. Die Digitalisierung bringt jetzt eine zusätzliche so genannte Virtual Reality herein. Ja – das ist auch eine Realität, kann sich ja jeder im Kino anschauen. Was dort allerdings erzeugt wird, ist ein spezielles Filter – keine Polarisation, sondern eine Illusion. Bei der heutigen Qualität und möglicherweise in 3D präsentiert, ist ein Plot kaum mehr von der Realität zu unterscheiden.

Noch besonderer ist Matrix. Ein Filter, das uns den Blick auf die tatsächliche Realität völlig verstellt. Sollte es uns einmal gelingen, durch dieses Filter durchzuschauen, so sehen wir wiederum nichts anderes als eine Matrix (vgl. Yual, Noah, Harari „21 Lektionen für das 21. Jahrundert“). Harari geht davon aus, dass wir unsere subjektive Wirklichkeit nicht verlassen können. Es ist nur möglich wieder in eine andere Wirklichkeit zu kommen. Die Realität bleibt uns verschlossen.

So einen Durchblick hatte der Soldat Stripe in dem Augenblick, als er die Kakerlaken nicht mehr als solche, sondern als Menschen sah. Mit einem von den Menschen konstruierten Laserstab hat er sich in die Augen geleuchtet und damit den eingebauten technologischen Filter gestört. Letztendlich bekommt er einen neuen Filter, worin er sich als hochdekorierter Soldat in einem schönen Heim mit einer schönen Frau erlebt.

Gesponserte Beiträge