Black Mirror 1.1 „Der Wille des Volkes“

Dilemma

Values: The Dilemma

In der Netflix Serie ”Black Mirror” wird in der Episode 1.1 der englische Premierminister nächtens von seinem Stab telefonisch geweckt. Es wird ihm mitgeteilt, dass die Prinzessin Susanna entführt wurde und damit eine Erpressung verbunden ist. Die Entführer verlangen vom Premierminister, dass er vor laufender Kamera und live im TV Sex mit einem Schwein praktiziert. Dieses Ereignis soll am nächsten Tag um 16 Uhr erfolgen und gesendet werden.

Die Zeit nach Alternativen zu suchen ist also sehr gering. Darüber hinaus gibt es keinen Kanal für Verhandlungen. Die Kabinettschefin verspricht “Wir werden alle verfügbaren Ressourcen zum Einsatz bringen”. Die Reaktion des Premierministers dazu: “Nein – nur ein kleines Team und keine Presse. Somit verordnet das Kabinett ein Berichterstattungsverbot und versucht nun das Problem auf traditionelle Weise mit einem kleinen Stab, einer Eingreiftruppe und dem Pressereferenten, zu lösen. Nun will der Premierminister wissen: “Was steht dazu im Manuskript?”. Es stellt sich schnell heraus, dass es für solche Fälle keinen Notfallplan gibt. Zu allem Überdruss entsteht im Kabinett ein Streit wie man dieses Problem lösen könnte.

Allen Beteiligten erscheint nun die Variante mit dem Bluescreen und einem Pornodarsteller der richtige Ausweg. Letztendlich stellt sich aber auch das als nicht realisierbar heraus. Ein Leak in der Kommunikation machte diesen Lösungsansatz publik und gelangte so zu den Erpressern. Dessen Reaktion darauf war die Zustellung eines abgeschnittenen Fingers der Prinzessin. Es blieb also nichts anderes übrig als den Forderungen der Erpresser zu folgen. Der Premierminister ging auf die Forderungen ein und der Livestream wurde gesendet.

Der Premierminister wird zu einer Handlung gezwungen, bei der er aus zwei Alternativen auswählen kann, welche aber beide zum gleichen Ergebnis führen. Ob er nun Sex mit dem Schwein hat oder ob die Prinzessin ermordet wird, ist egal. In beiden Fällen verliert er seine politische Reputation. Das ist ein typisches Dilemma.

Von einem Dilemma wird dann gesprochen, wenn ein Mensch (Agent) durch einen externen oder internen Zwang zu einer Entscheidung gezwungen wird. Er hat lediglich die Möglichkeit aus zwei Alternativen auszuwählen, welche allerdings immer zum gleichen Ergebnis führen. Sollte das Ergebnis positiv sein, so wird von einem konstruktiven Dilemma gesprochen (wird nur sehr selten wahrgenommen). Handelt es sich um ein negatives Ergebnis (meistens), so spricht man von einem destruktiv im Dilemma.

Es gibt auch Situationen, in denen der Agent aus mehreren Alternativen auswählen kann. Sind es drei, so wird von einem Trilemma gesprochen. Im Falle von vier Wahlmöglichkeiten, von einem Tetralemma.

Ein Dilemma entsteht in einem geschlossenen System. Dem Agent stehen nur genau diese beiden Alternativen zur Verfügung. Er ist nicht in der Lage andere Optionen zu erdenken. Auch nicht dann, wenn ihm außenstehende andere Möglichkeiten aufzeigen. Solche Situationen haben wir selber schon oft erlebt. Egal was wir tun, es geht immer negativ aus. Gut gemeinte Ratschläge von Freunden können nicht umgesetzt werden. Die Begründung liegt meistens darin, dass diese das eigene System einfach zu wenig kennen. Sehr häufig ist man in derartigen Situationen auf sich alleine gestellt. Das hat auch der Premierminister erleben müssen. Letztendlich ist er mit dem Schwein und mit der Kamera alleine geblieben.

Neben diesen persönlichen Dilemmas gibt es auch noch Erscheinungsformen im größeren Kontext. Im Folgenden einige aktuelle Beispiele:

Automotive: Die Automobilindustrie muss derzeit auf zwei Mainstreams reagieren. Zum einen ist das die Umstellung auf den Elektroantrieb und zum anderen ist es das autonom fahrende Vehikel. Steigt die deutsche Automobilindustrie nicht auf Elektroantrieb um, so werden die Chinesen das machen und die Fahrzeuge nach Deutschland exportieren. Wird der Umstieg vollzogen, so ist die deutsche Industrie mit der billigeren Konkurrenz aus Asien konfrontiert.  Ín beiden Fällen werden billigere elektrobetriebene Autos den deutschen Markt überschwemmen und die regionale Industrie verliert. Das ist das Dilemma, in dem die deutsche Automobilindustrie derzeit steht.

Importzölle: Vor einem ähnlichen Problem steht die US amerikanische Wirtschaft. Auch hier wird die Überschwemmung durch den chinesischen und europäischen Markt befürchtet. Präsident Trump versucht nun die eigene Wirtschaft über die Verhängung von Importzoll zu schützen. Mit diesem Protektionismus entsteht wiederum ein Dilemma. Werden keine Zölle verlangt, so wird die amerikanische Industrie mit starker globaler Konkurrenz konfrontiert und geschwächt. Im Falle von Importzöllen werden die anderen insofern reagieren, als sie weniger Produkte aus den USA kaufen, was wiederum die amerikanische Industrieproduktion verschlechtert. Das Verhalten des amerikanischen Präsidenten ist für viele nicht verständlich. Nach der Dilemma-Theorie jedoch offenkundig. Er hat keine dritte Alternative, auch wenig Freunde wie die G5 Empfehlungen geben.

Entwicklungshilfe: Der afrikanische Kontinent ist nach wie vor das soziale und wirtschaftliche Schlusslicht. Das war auch Mitte des 20. Jahrhunderts schon so bekannt und man versucht, dieses Problem mit Entwicklungshilfe zu lösen. Die Lösung bestand darin, dass man Geld in diesen Kontinent pumpte. Damit ist ebenfalls ein Dilemma verbunden. Sollte man keine Finanzmittel bereitstellen, so bleiben die Länder weiterhin unterentwickelt. Im anderen Fall, wie die finanzielle Entwicklungshilfe gezeigt hat, führte das zu Korruption und zu noch größerer Armut der Bevölkerung. Das Problem ist bis heute nicht gelöst.

Zukunft der Arbeit: In allen Foren und Diskussionen zu Digitalisierung wird die Zukunft der Arbeit thematisiert. Die zentrale Frage dabei: “Haben wir in Zukunft genügend Arbeitsplätze und können wir darüber ausreichend viel Geld verdienen, um unseren Lebensstandard genauso weiterzuführen zu können”. Arbeiten wir nicht an der Digitalisierung mit, so verlieren wir sehr schnell unseren Arbeitsplatz, weil es kaum mehr andere Jobs gibt. Beteiligen wir uns an der Digitalisierung, so wird unsere Arbeitsplattform durch künstliche Intelligenz – Industrie 4.0 und Robotern – ersetzt. In beiden Fällen wird Arbeit obsolet.

Alle diese und viele andere Beispiele zeigen, dass dilemmatische Situationen nur negativ ausgehen können. Gehen wir nun der Frage nach, ob es nicht doch Lösungsansätze gäbe, um diese Einbahn zu verlassen. Eines kann vorweg aus systemtheoretischen Überlegungen bereits gesagt werden:

Dilemmas können nicht auf der Ebene und in dem Kontext gelöst werden indem sie entstehen. Den Agents stehen einfach keine alternativen Möglichkeiten zur Verfügung. Auch wenn es diese gäbe.

Dilemma

Aussitzen: Sofern die erzwungene Entscheidung nicht zeitkritisch ist, könnte man auf Zeit setzen. Sehr häufig ergeben sich dann systemische Veränderungen, welche auch die Problematik, das Dilemma, verschieben und möglicherweise sogar auflösen können. Der Premierminister hat noch eine Stunde vor dem Live-Auftritt gesagt: “Wir haben noch Zeit.“ Das war nicht mehr als eine Selbstberuhigung, weil er durch die Vorgabe von 16 Uhr keine zeitliche Option hatte.

Störung: Sofern man Zeit hat, kann man auf systemische Ereignisse hoffen, die das Problem quasi von selber lösen. Solche Ereignisse kann man auch erzwingen. Man bezeichnet diese dann als Störungen im System. Bei dieser Methode muss man außerhalb des Möglichkeitsraumes des betroffenen Agenten Ereignisse konstruieren, die dessen System stören. Diese Alternative hat der Premierminister von vornherein ausgeschlossen, als er sagte: “Nicht alle – nur ein kleines Team.“ Alternativ dazu hätten die Medien die gesamte Bevölkerung mobilisieren können, um die Prinzessin zu suchen.

Prophylaxe: Kein Mensch und keine Organisation ist vor dilemmatischen Situationen gefeit. Wie die Netflix Episode und die obigen Beispiele zeigen, ist eine Lösung kaum möglich. Der Kern des Problems liegt in der Nichtverfügbarkeit von zusätzlichen Alternativen. Je kleiner der Lebenskreis einer Entität ist, umso weniger Alternativen hat es. Ein Mensch, der immer nur an einem Arbeitsplatz, an einer Lokation oder im gleichen Kulturkreis lebt, hat weniger Alternativen als ein kosmologisch lebender Zeitgenosse. Um Dilemmatas möglichst hintanzuhalten, ist ein sinnreiches Leben eine gute vorbeugende Maßnahme. Man kann das auch immer wieder üben, indem man sich in alltäglichen Situationen Alternativen überlegt, obwohl man diese eigentlich nicht braucht. Auf die Frage des Premierministers: “Was steht im Manuskript?”, gab es nur die Antwort, dass solche Fälle nicht geplant sind.

Systemerweiterung: Wir alle leben in einem Realitätsausschnitt. Aufgrund der Sinnessysteme und der psychologischen Filter ist es nicht möglich, die gesamte Realität wahrzunehmen. Um die eigene Realität zu erweitern braucht es zusätzliche Daten und Informationen. Aktuell bieten sich dazu Data Analytics, auswerten von Video Kameras, Social Media und viele weitere digitale Techniken dazu an. Dem Premierminister sind diese Tools noch nicht zur Verfügung gestanden. Auch die DNA-Analyse des abgeschnittenen Fingers hätte zu lange gedauert.  Sein Stab hätte alle Systeme sofort involvieren müssen.

Simulation: Der Agent hat in der Situation in die er hineingezwungen wurde nur zwei Lösungsmöglichkeiten, die eben immer zum gleichen negativen Resultat führen. Auch kann er Ratschläge von außerhalb nicht annehmen, weil diese das System und den Kontext zu wenig genau kennen. Mit digitalen Systemen können nun Simulationen des betroffenen Systems aufgebaut werden und darüber trotzdem alternative Lösungen erkannt werden. Organisationen wie CIA, Mossad, NSA, uvm. nutzen diese Möglichkeiten und setzen neuronale künstliche Intelligenz dazu ein. Bei persönlichen Dilemmatas stehen uns diese Ressourcen nicht zur Verfügung. Außerdem hätten Agents zu diesem Zeitpunkt auch nicht die mentale Kapazität, um damit zu arbeiten. Dem Premierminister hätte ein Krisenstab, so wie man ihn heute kennt, geholfen. Solche Organisationen haben auch ein Team zum Testen von alternativen Szenarien.

Je komplexer die Welt, umso häufiger entstehen Dilemmatas. Gleichzeitig hat man aber mit der Digitalisierung zusätzliche Lösungsansätze. Falls wir im persönlichen Bereich wieder einmal mit einem Dilemma konfrontiert sind, sollten wir wissen, dass eine Lösung möglich ist, aber nicht auf der Ebene, wo das Problem entstand. Flexibilität, Intelligenz und Kreativität sind durchaus hilfreich.

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