Die Staffel 7 ist wohl die spannendste der gesamten bisherigen Serie und auch gleichzeitig die am leichtesten verständliche. Die Handlungsstränge haben sich deutlich reduziert. In den vergangenen Staffeln mussten die sieben Königshäuser, die Mauer und Essos behandelt werden. Das hat sich jetzt auf Cersei, Daenerys und den Nachtkönig reduziert. Gleichzeitig damit ist die Komplexität zurückgegangen. Zuschauer können ihre geistige Kapazität somit auch auf Anderes fokussieren – beispielsweise versuchen, die tiefere Bedeutung von Dialogen zu erkennen, die exzellente Mimik der Schauspieler aufzunehmen  oder die Architektur alter Bauten zu bewundern. Die Handlung von  Kinofilmen hat immer eine mehr oder weniger gute dramaturgische Struktur. Bei Serien kann diese auch über mehrere Episoden gespannt sein. Damit entsteht eben Spannung. Billige Serien erkennt man daran, dass jede Episode in sich selbst geschlossen ist und sie somit keinen übergreifenden Strang aufweisen. GoT 7.x zeichnet durch zwei dramaturgische Felder aus. Einmal ist es die Handlung selbst in Westeros und zum anderen ist es die Anordnung der Ereignisse über die Episoden hinweg. In beiden Fällen folgt der Pfad einer Linie. Diese startet auf einem tieferen Level und beginnt, ausgelöst durch ein kleines Ereignis, steil anzusteigen. Der Anstieg wird wiederum durch ein unbedeutendes Ereignis, genannt Wendepunkt, unterbrochen und es beginnt der Break Down. Am Ende erreicht die Linie wieder einen Grund der eine neue Basis darstellt. Diese kann auch tiefer liegen als der Ausgangszustand. Ich bezeichne diese Line als Zeitgeist-Kurve. Sie lässt sich in vielen kleinen Situationen erkennen. Auch größere epochale Ereignisse laufen ähnlich ab. GoT ist sehr gut dazu geeignet dieses Phänomen zu studieren. Man hat Spaß und lernt gleichzeitig etwas über Gesellschaften, technologische und kulturelle Entwicklungen.  Im Bild ist die Grundstruktur gezeigt.

 

Bild GoT 7.7 Prolog 2

 

  1. Sensing: Die Situation ist stabil. Menschen gehen ihrem gewohnten Alltag nach. In dieser ruhigen Phase liegt aber auch das Potential für Neues. Einige wenige, kreative und fühlende Wesen spüren, dass sich etwas Neues entwickelt. Meist wissen sie noch nicht genau was, aber so eine Vermutung wird deutlicher. Das hat mit Wahrsagerei nichts zu tun. Menschen mit solchen Fähigkeiten leben intensiv im “Hier und Jetzt”. Sie sind sehr stark mit ihrer Arbeit, Familie, Natur, usw. verbunden. Sind also keine Philosophen, Gurus oder Zukunftsforscher. Das intensive Leben bei gleichzeitiger Ruhe und Verbundenheit führen zur Fähigkeit die Zukunft teilweise vorwegzunehmen. Meist werden dazu Personen wie Steve Jobs, J.F. Kennedy, Thomas A. Edison auf die Bühne gebeten. Sicher hast du auch schon einmal das Gefühl gehabt genau zu wissen was da daher kommt. Der “Flow” nach Chiksentmihaeli oder das “Sensing” nach Otto Scharmer sind wissenschaftliche Erklärungen dafür. In der Episode 1 erleben wir viele der notwendigen Fähigkeiten für “Sensing”. Aria hat göttliche Fähigkeiten, Daenerys verfügt über Ressourcen –  Cersei hat die Verbündeten und Jon ist der fühlende Führer.
  2. Experiment: Wenn Menschen in einer Krise sind greifen sie auf Bewährtes zurück. In solchen Zeiten hat niemand den Kopf frei sich etwas Neues zu überlegen oder auszuprobieren. In ruhigeren Zeiten kann sich der Geist besser entfalten. Menschen probieren etwas aus, verwerfen es wieder oder halten es aufrecht. Der geistige Stress des Mittelalters, ausgelöst durch die Kirche, hat kaum Anderes zugelassen. Erst die Freiheitsbewegung durch die Renaissance in den norditalienischen Stadtstaaten hat da Änderungen mit sich gebracht. Diese waren aber dann sehr massiv und bildeten die Basis für Naturwissenschaften und Technik. Es gibt aber einen Unterschied zwischen Versuch/Irrtum und Experiment. Versuch/Irrtum ist nicht zielgerichtet sondern passiert eben zufällig.  Ein evolutionärer Prozess, bei dem etablierte Methoden zufällig etwas anders umgesetzt wurden. Dabei hat sich dann gezeigt, dass diese besser sind als die Bisherige. Bei einem Experiment handelt es sich um die gezielte Weiterentwicklung eines Prozesses. Bei jedem Durchlauf wird nur eine Bedingung bzw. Variable verändert, das Ergebnis gemessen und dokumentiert. In Episode 2 experimentiert Sam mit der Grauschuppen-Erkrankung von Jorah Mormont und Cersei baut einen Skorpion (Riesenarmbrust), um sich damit gegen die Drachen zu bewaffnen.
  3. Trigger: Meistens sind es kleine, unauffällige Ursachen die große Wirkungen hervorrufen. Leider sind wir kaum in der Lage genau diese Ereignisse zu erkennen. Könnten wir das nämlich würden wir viel Unangenehmes vermeiden. Der Satz: “Hätte ich doch damals….” ist oft zu hören. Tatsächlich geschehen zeitgleich schier unendliche viele Ereignisse von denen nur ganz wenige sich zu einer großen Auswirkung aufschaukeln. Begründet ist das durch die vorwiegend negative Rückkopplung des Systemelements. Selbst dann, wenn etwas Gravierendes passiert, dämpft sich dieses bei deren Fortpflanzung. In den wenigen Fällen wo es  hintereinander zu einer positiven/ verstärkenden Rückkopplung kommt, entstehen große Auswirkungen. Was es dazu braucht sind:
  1. Eine immaterielle Ursache
  2. Ein Trägermedium
  3. Eine Small World Netzarchitektur
  4. Ein erkennbares Verhalten
  5. Eine materielle Auswirkung

 

Einige kleine Ereignisse aus Episode 3 sind Ritterrüstungen ohne wärmendes Leder, zu kleine Getreidespeicher, Sam muss abschreiben, ua.

 

  1. Aktion: Sobald einmal der Trigger ausgelöst ist, beginnen sich die Ereignisse zu überschlagen. Es setzt ein steiles Wachstum ein. Es sollte eigentlich die Zeit sein Strategien zu schmieden und diese dann umzusetzen. Tatsächlich ist es aber ein Aktionismus. Derjenige aus dem Mittelalter unterscheidet sich markant von demjenigen den wir heute haben. Bei GoT durfte man niemandem vertrauen, alles hatte einen persönlichen Bezug, Führung war emotional besetzt und das Aussehen führte zu Entscheidungen. Heute sind es Vertrauen, Nachhaltigkeit, Kognition, Objektivität uvm. Niccolo Machiavelli ist das Referenzmodell für Tyrion Lannister.
  2. Decision: Nach einer Phase des nahezu ungebremsten Wachstums verlangsamt sich die Entwicklung. Es braucht mehr Anstrengungen um das Wachstum zu erhalten. Jetzt sind weise Entscheidungen gefragt. Entscheidungen werden im Spannungsfeld von Bedeutung und Akzeptanz gefällt. Daenerys trifft Entscheidungen von hoher Bedeutung, braucht dafür aber wenig Akzeptanz. Jon Schnee trifft ebenfalls weitreichende Entscheidungen, braucht dazu aber die Zustimmung der Nordmänner. Wenig bedeutend und von keinerlei Akzeptanz brauchen die Entscheidungen des Erz Maesters zu sein.
  3. Turning Point: Nach einem Aufstieg, auch wenn er noch so lange dauerte, kommt ein Zusammenbruch. Das wohl am längsten bestehende System in der Menschheitsgeschichte waren die ägyptischen Pharaonendynastien. Wie wir wissen sind auch diese verschwunden. Nach einer längeren aufsteigenden Periode wird es immer schwieriger das System so zu erhalten. Auch hier können es unbedeutende Auslöser sein die einen Absturz auslösen. Achtsamkeit kann vor solchen ungewollten Entwicklungen schützen. Je mehr Reflexion umso besser die Achtsamkeit und je mehr Aktion umso geringer diese. Im “Meer der Möglichkeiten” gibt es unendlich viele Kombinationen. Aktionen die von Emotionalität begleitet sind und wenig Reflexion auf sich ziehen verstärken sich schnell und ungewollt.
  4. Break Down: Wenn dich einmal Freunde verlassen, der David gegen den Goliath gewinnt, Spielregeln sich ändern ohne das du es weißt, dann bist du wahrscheinlich in einem System das gerade ausläuft.  Cersei musste das auch erfahren als Jamie sie verließ und richtige Angst hatte sie auch noch. Der Wiedergänger ist ihr zumindest kurzzeitig sehr nahe gegangen. In der Umbruchphase gibt es auch keine Gerechtigkeit, außer ”Wir schaffen sie uns”. Letztendlich kommt  es auch zu physikalischen Zerstörungen. Auch dann wenn der Break Down durch eine geistige Revolution ausgelöst wurde, wie sich ja bei jeder kriegerischen Auseinandersetzung zeigt. Persönlich durchlebt man in dieser Phase meist eine Selbstüberschätzung. Das hat man ja in der Wachstumsphase so gelernt.
  5. New Base: Die Neue Basis kann gegenüber dem Niveau vor der Expansion tiefer oder höher sein. Beides haben wir in der Menschheitsgeschichte schon erlebt. Während in der griechischen Antike schon ziemlich klar war, dass die Erde eine Kugel sei, wurden im Mittelalter noch Menschen dafür hingerichtet. In der neuen Zeit sind Aktienkurse ein gutes Beispiel. Die Kurse können nach einem Anstieg viel tiefer liegen als vorher, was viele Anleger schon schmerzhaft verspürt haben. Manchmal richtet die Zeit wieder etwas zurecht aber nicht immer. Die Zeit von Petyr Baelish ist wahrscheinlich abgelaufen. Es ist reine Spekulation zu glauben er käme als Wiedergänger noch einmal ins Spiel.

 

Jetzt viel Spaß und Erkenntnisse in Staffel 7.x

 

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