Lola

Lola rennt  – Inhaltliche Kurzfassung

  1. Lola hat einen Freund Namens Manni aus dem kriminellen Milieu.
  2. Manni schmuggelt und wäscht für seinen Dealer Diamanten rein.
  3. Dabei verliert er eine Tasche mit 100.000 DM – da beginnt die Geschichte.
  4. Nach einem Telefonat rennt Lola los, um die 100.000 DM zu besorgen. Sie hat dafür genau 20 Minuten Zeit.
  5. Dieser Zeitraum von 20 vor zwölf wird jetzt dreimal gespielt – mit nur kleinsten Veränderungen.
  6. Der erste Lauf ist, so wie wir glauben, dass es das Schicksal bestimmt hat.
  7. Der zweite und dritte Lauf sind zeitlich etwas versetzt. Sie läuft immer zur gleichen Zeit los. Allerdings wird sie im Stiegenhaus unterschiedlich stark behindert.
  8. Gut erkennbar an der Ausfahrt des Dienstwagens ihres Vaters. Es geht um eine halbe Wagenlänge.
  9. Kleinste Veränderungen in den Anfängen verändern den gesamten Verlauf.
  10. Es kommt zu sechs Begegnungen: Hund, Frau mit Kinderwagen, Radfahrer, Dienstauto, Sandler und Rettungswagen.
  11. An den jeweiligen Enden ist einmal Lola tot, das nächstem mal Manni und beim dritten Lauf ist alles o.k. – nichts ist passiert.

Wenn ich in der Küche am E-Herd stehe und dem kochenden Wasser zusehe, wie es Luftbläschen erzeugt, komme ich zum Schluss, dass diese zufällig entstehen und sich chaotisch verhalten. Solche Beispiele gibt es in der Natur unzählige (Wiesengras, Schneefall, Wolken, Ameisen, usw). Auch in soziotechnischen Systemen entstehen derartige Phänomene. Der Straßenverkehr würde etwa dazugehören. Gerade auf deutschen Autobahnen kann man das beobachten. Man fährt lange Zeit dahin und hat einmal mehr und dann wieder weniger Verkehr – sehr zufällig. Doch plötzlich, wie aus dem Nichts, entsteht ein Verkehrsstau, der dann auch schnell wieder vorbei ist. Es war weder eine Baustelle noch eine Geschwindigkeitsbeschränkung aber der Stau entstand trotzdem. Da denkt man dann doch, dass dieser eine Ursache haben musste. Ist dann doch nicht alles so zufällig und chaotisch – sondern gibt es jeweils eine Ursache, die wir vielleicht nicht kennen? Am Stau Beispiel ist es zwischenzeitlich nachgewiesen, dass ein Autofahrer bei hoher Geschwindigkeit nur kurz unaufmerksam war und gebremst hat. Das hat zur Folge, dass auch der Nachfahrende bremst, jedoch schon etwas stärker. Das wiederum führt zu einer Kettenreaktion, die von 160 km/h bis zum Schritttempo führen kann. Größerer Abstand oder fahren in Gruppen, so wie es Ameisen machen, könnte da schon helfen. Autos mit künstlicher Intelligenz hätten so was ohnehin eingebaut.

Hat Gott etwa auch einen siedenden Suppentopf, in den er hineinschaut und sieht wie zufällig und chaotisch die Bläschen aufsteigen und am Übergang zerplatzen? Ein solches ist vor 14 Mrd. Jahren hochgestiegen, geplatzt, in Dampf übergegangen und wieder kondensiert. Das nennen wir dann den Urknall. Ein zufälliges Ereignis – neben unzähligen anderen. Auch nach dem Urknall ist der Zufall weiter das dominante Prinzip und wir nennen es dann Evolution. Damit komme ich zur entscheidenden Frage: Ist in unserem Leben alles Zufall, haben wir einen eigenen Willen oder ist ohnehin alles vorherbestimmt (determiniert)? “Lola rennt” ist ein Film, der sich dieses Themas annimmt.

Lola muss eine Aufgabe lösen, nämlich 100.000 DM innerhalb von 20 min beschaffen. Gezeigt wird diese Handlung mit jeweils drei, nur minimal veränderten Ausgangsbedingungen. Nachdem Lolas Freund Manni ihr sein Problem am Telefon geschildert hat und sie es verstanden hat, läuft sie los. Soweit dreimal alles gleich. Der Unterschied beginnt im Treppenhaus. Dort steht ein Mann mit einem Hund. Einmal stoppt sie kurz, das zweite Mal stellt ihr der Mann das Bein und sie stolpert und das dritte Mal springt sie einfach über den Hund. Dadurch entstehen nur geringe zeitliche Unterschiede. Ein Handlung, die ihren Anfang in einem zeitlichen Verzug von nur wenigen Augenblicken nimmt. Unser lineares Ursache- /Wirkung-Denken würde uns nahelegen, dass Lola entweder zu früh oder zu spät kommen lässt. Die Sprichwörter: “Wer zu spät kommt den bestraft das Leben” oder “Nur der frühe Vogel fängt den Wurm”, sagen so was ja aus. Negative Erfahrungen aus einem Zuspätkommen merken wir uns. Wie oft sich allerdings etwas positiv entwickelt weil wir eben zu spät kommen registrieren wir kaum – oder sagen: “Ist ja noch einmal gut gegangen”.

Lola rennt also los. Der zeitliche Versatz wird an den Begegnungen mit verschieden Personen erkennbar. Am deutlichsten an der Ausfahrt des Dienstwagens ihres Vaters. Da geht es um jeweils eine halbe Wagenlänge. Beim ersten Mal kommt sie gerade noch vorbei. Allerdings wird der Fahrer (erkennt Lola) soweit abgelenkt, dass er in der Folge einen Unfall verursacht. Wiederum zufällig mit jenem Auto, das dem Dealer gehört dem Manni das Geld schuldet. Komplexität entsteht dadurch, dass an die eigentlichen Handlung Neben- und Fernwirkungen gebunden sind. Unaufmerksamkeit des Chauffeurs ist die Nebenwirkung die zum Unfall führt. Die Fernwirkung zielt auf die Übergabe des Geldes ab zu der dann der Dealer ja zu spät oder gar nicht kommt. Beim zweiten Lauf ist das Dienstauto schon so weit herausgefahren, dass Lola darüber springen muss. Das Fahrzeug des Dealers wird nur wenig beschädigt, damit verbunden wahrscheinlich weniger Fernwirkung. Beim dritten Mal landet Lola auf der Kühlerhaube. Das Fahrzeug des Dealers fährt zwischenzeitlich ohne Unfall vorbei, also keinerlei Neben- und Fernwirkungen.

Jede Handlung in komplexen Systemen hat Neben-, Fern- und Zeitversetzte Wirkungen.

Lolas Begegnungen haben allerdings nicht nur physische Wirkungen. Je nachdem zu welchem Zeitpunkt Lola den andern Personen begegnet, löst sie bei diesen unterschiedliche Gedanken aus. Die Frau mit dem Kinderwagen sagt beim ersten Lauf: “Mach die Augen auf du Schlampe” und erinnert sich an etwas Vergangenes. Beim Zweiten löst sie den Gedanken an einen Lottogewinn aus und beim Dritten an einen Todesfall. Je nachdem in welchem mentalen Zustand wir anderen Menschen begegnen, lösen wir dort das Unterschiedlichste aus und das liegt nicht in unserer Kontrolle. Wenn wir zu einem besonders unangenehmen Termin gehen müssen erwarten wir, dass dieser eben so verläuft. Es kann aber auch ganz anders kommen, je nachdem in welchem “State” der Andere gerade ist. Formelle Höflichkeiten, die eigene Kleidung, der SmallTalk, usw. haben da weniger Einfluss. Bedeutsamer ist da schon, was gerade vorher war und wie dadurch der emotionale Zustand unseres Gegenübers gesetzt ist. Insbesondere sind es Beziehungsthemen, die da große Wirkung haben. Auch damit ist Lola bei der Lösung ihrer Aufgabe konfrontiert.

Lola beschließt das Geld von ihrem Vater, einem Bankdirektor, zu leihen. Etwa zu der Zeit als Lola losläuft hat dieser mit seiner Geliebten eine “Szene” in seinem Büro. Sie macht ihm den Vorwurf: “ Wie lange soll das mit unserer Heimlichtuerei noch weiter gehen, lass dich endlich scheiden und im Übrigen bekomme ich ein Kind”. Da kommt jetzt Lola herein. Sie hat keine Chance ihrem Vater das Problem verständlich zu machen. Das liegt aber nicht an ihr, sondern an seinem aktuellen State. Letztendlich wirft er Lola raus. Beim zweiten Lauf sagt die Geliebte: “Ich bin schwanger; Möchtest du ein Kind mit mir, auch wenn es nicht von dir ist?” Damit hat er noch weniger Verständnis für Lola und sie beraubt die Bank um die Hunderttausend zu bekommen. Beim Dritten sagte die Gelebte nur: “Wir bekommen ein Kind”. Papa darauf: “Das ist das Schönste, was du mir jemals gesagt hast” und fährt mit dem Dienstwagen weg. Damit kommt Lola zu spät, obwohl sie früher dran war.

Menschliche Interaktionen und Beziehungen können sehr emotional sein, brauchen Zeit und führen zu Nichtlinearität. Irrationale Entscheidungen werden getroffen; im Positiven (Liebe) wie im Negativen (Hass). In der hinduistischen Tradition wird in diesem Zusammenhang von der Anhaftung gesprochen. Möglichst wenig davon, in möglichst allen Lebenslagen, ist das Gebot.

“Lola rennt” zeigt, dass kleinste Veränderungen in den Ausgangsbedingungen die gesamte Ereigniskette verändert. Einmal ist Lola tot, das nächste Mal Manni und beim Dritten ist gar nichts passiert. Viele Weisheitsbücher empfehlen uns, genau auf diese Kleinigkeiten zu achten. Was sind aber nun genau diese kleinsten Ursachen, die zu so großer Veränderung führen? Ja, wenn wir das wüssten, wäre das Leben einfach. Wir könnten entspannt auf genau diese Momente warten und dann die richtigen Entscheidungen treffen. So ist es aber nicht, weil Unbedeutendes eigentlich immer und in jedem Augenblick passiert. Was macht also den Unterschied aus? Damit hat sich die Esoterik schon immer beschäftigt. Astrologie, I Ging, Tarot, usw. sagen uns, wann wir auf etwas ganz besonders aufpassen müssen. Auch Träume wurden dafür herangezogen. Selbst wenn wir das alles in unserer Kultur als “Spinnerei” abtun, haben wir manchmal den Eindruck, dass Dinge passieren, die in unerklärlicher Weise zusammenhängen. Etwa wenn ich träume und am nächsten Tag passiert sowas oder zumindest was sehr ähnliches. Man denkt an eine Person und diese trifft man gleich daraufhin. Bei Lola ist es der Augenblick, als der Vater nicht mehr für das Geld erreichbar ist und sie vor einem Casino steht. Die Dienstreise des Vaters steht in keinem ursächlichen Zusammenhang mit der Lokation des Casinos.

Lola rennt

Bereits der Psychologe C.G. Jung hat sich mit solchen Phänomenen beschäftigt und diese als “Synchronizitäten” bezeichnet. Das sind Zusammenhänge die keine reale Ursache-Wirkungs-Bezug haben aber inhaltliche auf eine solchen hinweisen. Ich schaue einen Film an und sehe dort eine Taube an einem Fenster vorbeifliegen, während ich gleichzeitig einen Vogel an meinem Wohnzimmerfenster sehe. Nach meinem Verständnis gibt es dabei keinerlei Zusammenhang. Manchen Menschen passiert sowas häufiger, anderen seltener bis gar nicht. Hängt natürlich mit dem Bewusstsein und der Aufmerksamkeit für solche Phänomene zusammen. Es ist aber mehr als das. Wer in einem differenzierten Umfeld lebt, erfährt Synchronizitäten häufiger als jemand der sich in einem gleichbleibenden Standard bewegt. Reisen, viele Beziehungen, mehrere Wohnorte, usw. waren zumindest in der Vergangenheit solche Anreicherungen. Heute in der multimedialen, digitalen Welt potenzieren sich diese Umgebungen. Mit Social Media habe ich sehr viele “Freunde” sehe über Filme und Serien bislang unzugängliche Inhalte. Diese werden in Kürze in 4K Qualität visuell von der Realität nicht mehr unterscheidbar sein. Erst recht mit VR Brillen kommt es zu einer Verwischung. Wenn ich VR von RR nicht mehr unterscheiden kann, kann ich auch virtuelle Ursache von realer Wirkung nicht mehr auseinanderhalten. Dadurch wird die Synchronizität nach JUNG noch viel mehr an Bedeutung gewinnen.

Synchronizitäten könnten auch dazu verwendet werden, um genau diese kleinsten Ursachen herauszufinden, die dann zu großen Wirkungen führen. Diese Methodik ist in keinster Weise empirisch bewiesen. Es ist lediglich eine Theorie, die man in Selbstversuchen überprüfen könnte. Immer dann, wenn man so einen zusammenhanglosen Zusammenhang erkennt, sollte man derartigen Situationen mehr Aufmerksamkeit schenken. Lola ist dreimal an jenem Sandler vorbeigelaufen, der den Sack mit den Hunderttausend hatte. Sie hätte ihn nur nehmen müssen. Die Konzentration auf das eine Ziel hat ihre Aufmerksamkeit dafür aber zu sehr eingeschränkt.

Synchronizitäten bereichern das Leben, zeigen uns ein und dieselbe Situation in unterschiedlichen Kontexten und befreien uns vom Ursache-Wirkungs-Denken.

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