American Gods die Zwischengötter

American Gods the intermediate gods

Neil Gaiman hat den Roman American Gods bereits 2001 geschrieben und in nahezu hellsichtiger Eigenschaft das derzeitige globale Wirtschaftssystem beschrieben. Tatsächlich herrscht heute ein Handelskrieg zwischen USA, Europa und China. Dabei spielt der Rest der Welt keine besondere Rolle. Der Roman spielt in Nordamerika und behandelt die kulturellen Umbrüche, welche durch die Digitalisierung ausgelöst wurden. Das alte Wirtschaftssystem, insbesondere Schwerindustrie, Landwirtschaft, Fleischproduktion, usw. werden durch die alten Götter repräsentiert. Die digitalen Konzerne durch die neuen Götter. Nordamerika ist ja einen besonderen Weg in seiner kulturellen Entwicklung gegangen. Die Einwanderer aufgrund der Kolonialisierung kamen vorwiegend aus Europa, brachten aber unterschiedlichste Kulturen mit: die Norweger (Odin), die Iren (Mad Sweeny), die Slaven (Gernobog), die Italiener (Vulcano), die Germanen (Ostaria). Diese alle repräsentieren eine Kultur und dessen Verschmelzung, woraus dann das heutige Wirtschafts- und Gesellschaftssystem der USA entstanden ist. Natürlich wollen die Repräsentanten dieses Systems nicht einfach ihr Feld räumen und es den neuen Göttern wie Apple, Google, Facebook, usw. überlassen. Genau diesen kulturellen Kampf zeigt die Netflix-Serie.

Zwischenzeitlich hat sich der Kulturkampf über die ganze Welt ausgebreitet. Die Auseinandersetzung zwischen Alt und Neu ist überall zu spüren. Ob die Automobilindustrie auch in Zukunft noch von den großen der Welt, wie Daimler, BMW, Ford, Toyota, usw., besetzt bleiben, ist sehr fraglich. Manche Futuristen sprechen vom neuen Auto als Smartphone mit Rädern. Dabei spielen wahrscheinlich die neuen Götter eine wesentlich größere Rolle. Anscheinend hat es die deutsche Autoindustrie nahezu übersehen auf diesen Zug aufzuspringen. Es wird nunmehr versucht, durch Regulative der künstlichen Intelligenz, in den asiatischen Autos einen Riegel vorzuschieben.

Ein wesentliches Wahlversprechen von Donald Trump war die Errichtung einer Mauer zu Mexiko. Er möchte damit verhindern, dass Einwanderer die USA überschwemmen. 1992 mit dem Fall der Berliner Mauer hat sich die Meinung verbreitet, dass Mauern (ob es nun der Limes, die Chinesische Mauer, usw) der Vergangenheit angehören. So eine Mauer bringt ein Gefühl von Sicherheit mit sich, obwohl im Zeitalter vom globalen Netz eine Mauer, sofern sie keine elektronische Firewall, keinen Schutz mehr bietet. Der amerikanische Trump repräsentiert den Anführer der alten Götter. Er wird in der Serie Mr. Wednesday genannt und ist das Synonym für den alten Gott Votan. Ähnlich wie Trump agieren auch die Staatsoberhäupter Putin, Orban, Erdogan, usw. Auch sie führen einen verzweifelten Kampf gegen das Neue.

Noch deutlicher kommt dieser Kampf in der Auseinandersetzung der britischen Elementarier zutage. Im englischen Parlament sitzen hauptsächlich „alte weiße Männer“. Obwohl jahrhundertelang eine Kolonialmacht, können sie mit der globalen Wirtschaft kaum umgehen. Der Brexit ist auch so was Ähnliches wie ein Mauerbau, er heißt halt hier Zoll.

Derzeit schaut es so aus, als ob die neuen Götter an allen Fronten gewinnen würden. Egal ob es sich dabei um Entertainment, Gesundheit, Mobilität, uvm. handelt. Überall werden Lösungen auf Basis von Deep Learning angeboten. Es ist schon beachtlich, wie gut die Sprachassistenten zwischenzeitlich funktionieren. Die Repräsentanten Techno Boy, Mr. World, Mrs. Media und die Unsichtbaren haben schon ganze Arbeit geleistet. Hauptsächlich basiert ihr Erfolg auf exponentiellem Wachstum. Leider hat dieses Modell auch gleichzeitig zur brutalen Ausbeutung von Rohstoffen geführt. Richtigerweise ist aber festzuhalten, dass hier die alten Götter mindestens so gierig waren und damit verantwortlich sind.

Manche alten Götter wie Bilquis und Osteria sind fremdgegangen und haben sich bereits mit den neuen Göttern verbunden. Durch einen schlauen Schachzug hat Techboy die Liebesgöttin für sich gewinnen können. Die Pornoindustrie ist zwischenzeitlich in fester Hand der Digitalisierer. Auch die Göttin der Lebensfreude „Osteria“ ist längst in die moderne Welt eingezogen. Sie repräsentiert das Angenehme, das Erfreuliche und vor allem die guten Gefühle.

Das Gefühlsleben der Europäer hat sich in der Folge der Französischen Revolution (Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit) massiv verändert. Individuen sind seit dieser Zeit in der Lage und dürfen Gefühle zum Ausdruck bringen. Genau das ist es, was den Liberalismus ausmacht. Dieses Gesellschaftssystem ist vorwiegend auf das Wohlergehen des Individuums ausgerichtet. Wenn es jeden Einzelnen gut geht, dann geht es auch dem Staat gut. Der Schutz der Privatsphäre ist das Ultimative. Aus dieser jahrhundertealten Tradition heraus ist das Bedürfnis der Europäer nach Datenschutz ein unbedingtes Muss.

Das oppositionelle System, der Kommunismus sieht das insofern völlig anders, als wenn es den Staat gut geht, es auch den Einzelnen gut geht (gehen müsste). Damit sind natürlich sehr viele Freiheiten eingeschränkt. Nach Erfahrungen im Sowjetkommunismus ist es weder dem Staat noch dem Einzelnen gut gegangen. Die Neuauflage des chinesischen Kapitalkommunismus schaut nach dem ersten Hinsehen anders aus. Die Chinesen sind am Weg zu einer Wohlstandsgesellschaft. Auch haben die Individuen verschiedenste Freiheiten, solange sie sich nicht mit Religion, Politik und System auseinandersetzen.

Die Auseinandersetzung zwischen Old Eco (Votan) und New Eco (Musk) könnte auch nur eine vorübergehende sein. Die wirklichen Probleme auf unserer Welt liegen im exponentiellen Wachstum und genau dieses wird sowohl von den alten als auch von den neuen Göttern als unerlässlich gesehen. Damit wird tatsächlich die Welt unbewohnbar, wenn dem Raubbau und der Klimaerwärmung nicht Einhalt geboten wird. Es ist auch absolut unverständlich, dass 3 Prozent der Menschheit die Hälfte des Geldes besitzen. Es ist zu hoffen, dass zur Lösung dieser Probleme, wirkliche neue Götter in Erscheinung treten.

Ansätze dafür sind bereits zu spüren. In den USA ist die Alexandria Ocasio-Cortez, die mit ihren Nachhaltigkeitsgedanken bereits Massen begeistert. Sie schreckt auch nicht davor zurück, die großen Digitalkonzerne zu zerschlagen und das ganze Wirtschaftssystem auf Nachhaltigkeit auszurüsten. Dazu gehört auch ein soziales System, welches Gesundheitsvorsorge, Krankenpflege und friedliches Leben ermöglicht. Auch die Gattin von Marc Zuckerberg (Mrs. Priscillia Chan) hat kürzlich mitgeteilt, dass sie ihr gesamtes Milliardenvermögen für globale, nachhaltige Projekte einsetzen will. Diese Frauen oder überhaupt Frauen wären dann die wirklichen neuen Götter. Global gesehen wäre diese Entwicklung äußerst vorteilhaft. Die Menschheit könnte sich dann vom Massenkonsum lösen und wieder geistigen Werten zuwenden.

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