1.11 DigiTopia – Evolution des Digitalen

Die Evolutionstheorie ist nachweislich eine der am meisten untersuchten wissenschaftlichen Erkenntnisse. Die wesentlichen Voraussetzungen für evolutionäre Prozesse sind: Zeit und Zufälligkeit.

Lebensfähige und reproduzierende Systeme sind sehr stabil, machen aber beim Reproduktionsvorgang immer wieder kleine Fehler. Diese wirken sich auf die neuen Teile (Nachkommen) aus. Es könnte dann der Fall sein, dass diese sich schlechter oder besser an die Umwelt anpassen. Die besser angepassten haben größere Chance zu überleben und damit entsteht die Selektion nach dem Kriterium des Besten. Die zweite wichtige Komponente – die Zeit – spielt eine genauso große Rolle. Letztendlich hat es viele Mutationen vom Einzelzeller bis zum homo sapiens gebraucht. Dieses Zusammenwirken von Zeit und Mutation wird populärwissenschaftlich dann als Evolution bezeichnet. Genau genommen findet Evolution nicht nur bei lebenden Systemen statt, sondern sollte nach Systemtheorie in allen Systemen die sich reproduzieren ablaufen.

Die Entwicklung von Gedanken könnte man zumindest versuchsweise nach einem evolutionären Modell andenken. Richtigerweise braucht man zum Denken Zeit und nur die besseren Gedanken setzen sich durch. In der genetischen Entwicklung des Menschen gab es drei herausragende Selektionsprozesse. Das sind der aufrechte Gang, die Form der Hand und das exponentielle Wachstum des Gehirns. Dieses Gehirn war es nun, welches ein Zusammenleben in komplexen sozialen Systemen ermöglicht. Menschen waren dadurch in der Lage asoziale Zeitgenossen zu erkennen und diese auszuscheiden. Die Entwicklung setzte noch einige Levels drauf – der homo sapiens kann sich im Raum orientieren, verfügt über eine ausgefeilte Logik und verwendet Sprache zur Kommunikation.

 

 

Bis hierher hat der Mensch sehr naturverbunden gelebt. Es gab nur wenige Eingriffe in die Umwelt. Die aktive Verformung war gering – ist aber dennoch natürlich. Wie das Beispiel des Bibers zeigt, kann dieser große Baumstämme annagen und ganz bewusst in eine bestimmte Richtung fällen. Der Eingriff von Lebewesen zur Formung der Umwelt dürfte ziemlich normal sein.

Trotzdem erscheint uns das was der Mensch jetzt gerade mit der Technologie betreibt etwas Anderes. Sind das Bauen von Hochhäusern, Autobahnen, Boeing 780, Atomkraftwerken usw. auch noch Vorgänge die auf die Natürlichkeit des Lebewesens Mensch zurückzuführen sind. Oder ist viel mehr im 19. Jahrhundert durch die erste industrielle Revolution auch ein evolutionärer Sprung passiert. Was gut zu erkennen ist, ist die intensive Wechselwirkung zwischen technologischem Umfeld und Kultur. Obwohl immer wieder gesagt wird das Kultur sehr langlebig ist, passt sie sich doch schnell an die Artefakte des Menschen an. Es entsteht zwischen Kultur und Technik ein nichtlinearer Zusammenhang, der sich von zwei Seiten her erklärt. Je höher der kulturelle Standard, umso besser die Technologie und je höher eine Gesellschaft technologisiert ist, umso ausdifferenzierter ist deren Kultur. Das aktuellste Beispiel dazu ist das Smartphone. Mit dem Aufkommen dieses Gerätes hat sich die Kommunikation verändert und weil sich diese verändert hat fordern die Menschen immer neu e Funktionen vom Smartphone.

 

Abschließend noch die Überlegung ob digitale Systeme, wie das gerade erwähnte Smartphone, ebenso einem evolutionären Prozess unterworfen sind. Auch diese Überlegung vor dem Hintergrund der beiden Parameter Zeit und Zufälligkeit.

 

Die Zufälligkeit kann sehr einfach mit JA beantwortet werden. Es werden Millionen von Apps programmiert, die nicht gebraucht werden. Andere, die sehr intensiv nachgefragt werden, unterliegen einem sehr hohen Konkurrenzdruck. Ob es dann tatsächlich zu einer Selektion des Besten kommt kann nicht gesagt werden (kann es auch bei lebenden Systemen nicht). Aus dieser Perspektive ist wohl kaum ein Unterschied zwischen Bio- und Digitalsystemen zu erkennen. Bei der Zeit allerdings schon. Digitalsysteme sind historisch und weltweit gesehen die schnellsten. Einen Menschen zu reproduzieren dauert 20 Jahre. Im Gegensatz dazu kommt jährlich ein neues iPhone auf den Markt. Damit entstehen in einer kürzeren Zeit wesentlich mehr Mutationen. Die Umwelt selektiert dann und der Beste überlebt. Digitale Systeme haben damit implizit die Chance sich schneller und besser an die Umwelt anzupassen als der Mensch. Mit dieser Aussage haben natürlich diejenigen recht, die vor Robotern und künstlicher Intelligenz warnen. Der evolutionäre Sprung vom Menschen über die Digitalisierung zum Transhumanen wäre damit vollzogen.

 

Das Phänomen der Evolution ist gut untersucht und lässt sich auf verschiedenste Systeme übertragen. Warum es aber auf unserem Planeten Leben und evolutionäre Weiterentwicklung gibt ist völlig unklar. Antworten dafür haben die Menschen Jahrtausende gesucht und sind damit bei den Göttern gelandet. Es gibt noch viel zu tun. Insbesondere für Theologen – den Digitaltheologen.

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