Black Mirror 4.4. Hang the DJ | Werte: Liebe

Jeder Mensch möchte geliebt werden, glücklich sein und hin und wieder auch einmal verliebt sein. Was ist denn nun das, was wir Liebe nennen? Eine Definition dürfte nicht so einfach sein, weil schon so viel darüber geschrieben, gesungen und geschauspielert wurde. Meine persönliche Definition, die auch Grundlage für diese Analyse ist, lautet:

 

„Liebe ist die Verkörperlichung eines mentalen Zustandes, in dem man sich bedingungslos einem anderen Wesen hingibt.“

 

Einem verliebten Menschen ist sein Glück meistens auch körperlich anzusehen – er ist einfach glücklich. Es müssen aber nicht nur Menschen sein, in die man sich verliebt – es können auch Haustiere, Autos und etwas Abstraktes wie Gott sein. Für Liebe braucht es Zeit, Gelegenheit und einen „mentalen Blitzschlag“. Jetzt weiß ich es: „Die will ich und keine andere.“

 

Verliebt sein bringt mentale Veränderungen mit sich, sodass verliebte die Welt völlig anders (rosa Brillen) wahrnehmen. Alles Glück der Erde ist anscheinend nur für sie da. Ob man nun Liebe verordnen kann, wurde historisch bereits mehrmals versucht. Sehr bekannt ist das dreifache Liebesgebot der Christen, wonach

 

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit all deinen Gedanken und all deiner Kraft. Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“

 

Jesus hat dieses göttliche Gesetz noch einmal verschärft und erweitert um „Liebe deine Feinde“. Das ist nun schon fast ein unmögliches Ding. Liebe kann einfach nicht verordnet werden, sondern ereignet sich. Natürlich kann man sich vorstellen, dass jemand in Gott verliebt ist – dazu hat es aber auch einen „mentalen Blitzschlag“ gebraucht, also eine Erleuchtung.

 

Die Black Mirror Serie 4.4 setzt sich indirekt mit dem Thema der Liebe auseinander, eben auch einer geplanten und möglicherweise sogar verordneten Beziehung, aus der dann idealerweise Liebe entsteht. Die gesamte Episode handelt von einem Online-Dating-System.

 

Interessierte werden vom „System“ eingeladen, innerhalb einer Ummauerung, temporär ein Leben zu führen. Sie werden von einem Coach, einem Taschenuhr ähnlichen Gerät, begleitet. Dieser Coach teilt die Paare zueinander zu und bestimmt auch die Zeit für wie lange diese Probebeziehung gilt. Erst nach Ablauf dieser müssen, beziehungsweise dürfen, sich die Paare trennen. Solche Probebeziehungen können von wenigen Stunden bis zu Jahre hin dauern. Ein wesentliches Erfolgskriterium dürfte dabei die sexuelle Kompatibilität sein.

 

So werden Frank und Amy von ihrem Coach zu einem Mittagessen und dem ersten Dating eingeladen. Beide sind sehr schüchtern und trotzdem passiert etwas ganz besonderes. Die beiden verlieben sich sofort. Sowas passiert auch im realen Leben immer wieder – heißt dann: Liebe auf den ersten Blick. Allerdings ist ihre Gemeinsamkeit nur auf 12 Stunden programmiert und dann mussten sie sich wieder trennen. Beide durchlaufen weitere, längere oder kürzere Datings. Das Programm läuft solange, bis es mit einer Sicherheit von 99,8 % den richtigen Partner gefunden hat.

 

Die letzte Aufgabe, jeweils getrennt an diese beiden, lautet: Verabschiede dich von einem Partner. Beide wählen sich gegenseitig aus. Sie beschließen daraufhin aus der Ummauerung zu fliehen. Genau das haben offensichtlich tausend andere Paare auch vor und die Simulation bricht zusammen.

 

Wir sehen nun Amy in der realen Welt mit ihrem Handy und der Message, dass sie nun mit Frank zu 99,8 % den richtigen Mann gefunden hätte. Nahezu die gesamte Episode zeigt den Algorithmus des Match-Makings. Jedoch nicht über die Präsentation des Programmcodes, der Algorithmen und der Verknüpfungen, sondern die Emotionen. Ein guter Datingalgorithmus verwendet Dimensionen wie Zeit, Sex, Essen und Zuneigungen. Mit der Verabschiedung kann der Algorithmus ziemlich sicher sein, dass Frank und Amy gut zusammenpassen.

 

Die Episode zeigt also fast ausschließlich ein Dating-Service und man könnte meinen, dass dieses eine Weiterentwicklung von heutigen Onlineagenturen ist. Tatsächlich ist es aber die Visualisierung des Algorithmus. In der Episode werden nur wenige Minuten des realen Lebens von Amy gezeigt. Genau den Augenblick, indem sie auf ihr Handy schaut und das Ergebnis ihres Datings bekommt.

 

Zu dieser Episode wird daher nicht umsonst häufig die Frage gestellt: Was soll das gewesen sein?

Speziell die Schlussszene ist nur verständlich, wenn man weiß, dass zuvor Algorithmen emotionalisiert und personifiziert wurden.

 

Nicht zuletzt wegen Liebe und Glück mussten sich Menschen schon immer Partner suchen, sondern vielmehr wegen Fortpflanzung und sozialer Absicherung. Je nach gesellschaftlicher Struktur wurden Partnerschaften aus folgenden Gründen eingegangen.

 

Black Mirror 4.4. Hang the DJ

 

Stammesgesellschaften: Die ureigenste Form der Partnerschaft bestand in der Auswahl und im Konkurrenzkampf um den besten Nachwuchs. Nur der stärkste sollte seine Gene weitervererben. Frauen ist dabei die Wahlmöglichkeit zugekommen. Sie konnten sich den stärksten und schönsten Mann aussuchen. Männer mussten ihre Leistungsfähigkeit und Stärke in der Auseinandersetzung mit der Umwelt und gegeneinander beweisen. Dieses Verhalten ist evolutionär und steckt tief in unseren Genen. Liebe ist demgegenüber nachrangig.

 

Aggressoren: Im Laufe der historischen Entwicklung haben sich immer größere Gesellschaftsformen entwickelt, die auch in der Lage waren, andere Gruppierungen anzugreifen. Vordergründig ist es um Landname und Nahrungsmittel gegangen. Eine wesentliche Triebfeder ist aber auch der Besitz von Frauen gewesen. Die Sieger haben die Frauen bekommen und darüber ihre Gene weitergegeben. Die besiegten Männer durften dafür schuften und als Sklaven die Nahrung herbeibringen. Antike Gesellschaften waren fast ausschließlich so aufgebaut. In 1000 und einer Nacht wird über die Harems der siegreichen Sultane berichtet. Liebe hatte hier keinerlei Bedeutung.

 

Religion: Mit der kulturellen Entwicklung, angeführt in den arabisch-indischen Ländern, hat sich der Glaube an Gott entwickelt. Menschen konnten verschiedene Naturphänomene nicht begreifen und diese demzufolge auf eine externe Macht, also eines Gottes, zurückführen. Kinder bekommen ist sowas unverständliches und wurde deshalb auch auf Gott überantwortet. Die dazu notwendigen Regeln jedoch, wurden von Menschen in Bibel und Koran niedergeschrieben. Väter und Religionsführer entschieden über die Männer, die ihre Töchter heiraten mussten. Liebe hatte dabei keinen Platz.

 

Dynastie: Sind Familienverbände, die über Generationen hinweg ihre Besitztümer laufend vermehren. Diesem Streben sind alle anderen Bedürfnisse der Familienmitglieder unterzuordnen. So wurden Ehen nach wirtschaftlichen Kriterien eingegangen. In der österreichischen Historie sehr bekannt sind die Habsburger, welche sich durch geschickte Heiratspolitik ein Weltreich aufbauten. Liebe hat hier keinen Platz. Ob das bei heutigen Dynastien auch noch so ist? Es sollte Ausnahmen geben, wenn Prinz Harry und Maghan heiraten.

 

Liberale Gesellschaft: Ist eine Gesellschaftsform die sich anfangs des 20. Jahrhunderts in Konkurrenz zu Kommunismus und Faschismus durchgesetzt hat. Wesentliches Kennzeichen des Liberalismus ist die Rücksichtnahme auf das Individuum und dessen Gefühle. Die Staatsgewalten werden von den Bürgern nach Gefühl gewählt. Es wird für jene Partei gestimmt, die einem zu bestimmten Themen das beste Gefühl vermittelt. Die Blütezeit des Liberalismus begann mit dem Wirtschaftswunder 1950. Ab diesem Zeitpunkt war es Frauen möglich, ihren eigenen Lebenspartner aus einem Gefühl von Zuneigung und Liebe nehmen zu können. In westlichen Ländern leben heute durchaus die meisten Familien aufgrund einer eigenen Entscheidung zusammen. Damit hat Liebe einen Platz.

 

Global: Durch die Globalisierung und vor allem durch die Internetkonnektivität haben wir nicht mehr 40 potentielle Partner wie in einer Sippe, sondern 400 Mio. bei Onlinedating-Services. Die Auswahl ist so groß, dass wir keine Chance haben tatsächlich den besten Partner zu finden. Wir sind also auf Algorithmen angewiesen. Jene Onlineagenturen, die die besten Trefferquoten (99,8 %) haben, werden auch die meisten Follower anziehen. Hat da Liebe einen Platz? Ja und Nein. Es wäre nicht auszuschließen, dass sich ähnlich wie Amy und Frank ein online vermitteltes Paar auch verliebt.

 

Das Onlinegeschäft mit Partner, Beziehungen und Datings kann in drei Gruppen unterteilt werden:

  1. Online-Dating: Die Mitglieder sind auf der Suche nach Partnerschaft. Der dahinterliegende Algorithmus sucht aufgrund von Persönlichkeitsmerkmalen den idealen Partner. Mit diesem Service werden EUR 570 Mio. Umsatz gemacht. Es ist mit einem ca. 5 %igen Wachstum p.a. zu rechnen. Aktuell sind 65 Mio. User angemeldet. 40 % davon sind 25 bis 34 Jahre alt. Paarship.at, Elitepartner.at, Tinder
  2. DatingServices: Sind Unternehmen meist in Kombination von virtual und real. Angeboten werden Dienstleistungen im Zusammenhang mit Datings, beispielsweise Restaurantbuchung, Hotelbuchung, Benimmregeln, Coaching, usw. Damit werden weltweit EUR 2,3 Mrd. umgesetzt. Etwa 400 Mio. User nutzen diesen Dienst. Luxe Matchmaking-Dating-Service.
  3. Matchmaking-Services: In den obigen beiden Fällen werden hauptsächlich Beziehungen auf sehr persönlicher und intimer Ebene vermittelt. Bei Matchmaking geht es eher darum jemanden zu finden, der in Bezug auf ein bestimmtes Thema die gleiche Gesinnung aufweist. Das könnte sein Sport, Hobby, Politik, Religion, usw.

 

Online-Dating ist zwischenzeitlich, zumindest in liberalen Gesellschaften, sozial akzeptiert. In Religiös, Fundamentalen und Autoritären ist diese Methodik entweder nicht erlaubt oder ist bei Strafe verboten. Es gibt kaum Gender Spezifika – 87 % männlich und 83 % weiblich nutzen diese Dienste. Liebe bleibt trotzdem was Zufälliges und braucht Zeit, Gelegenheit und den richtigen Augenblick.

 

 

 

 

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