Black Mirror 4.2. ArkAngel (Archangle)

Arkangel

Werte: Helikopter Eltern

Die Episode 4.2 startet mit einer Szene aus einem Kreissaal. Dort erwartet Maria Sabrell die Geburt ihres Kindes. Die werdende Mutter weiß bereits, dass es sich um einen Kaiserschnitt handelt. Die Geburt verläuft soweit den Umständen entsprechend normal. Das Kind bereits auf der Welt, die Nabelschnur durchtrennt ABER kein Laut. Die Mutter erlebt die schrecklichsten Minuten ihres Lebens. Erst nach einer „gefühlten Ewigkeit“ beginnt die Tochter Sara zu schreiben. Alle sind glücklich.

Möglicherweise war es dieses Geburtserlebnis, welches die Mutter noch ängstlicher um das Wohlergehen des Kindes machte. Was Unausweichlich ist passiert – Sara geht am Kinderspielplatz verloren. Wieder die gleiche Situation wie bei der Geburt. Die Mama durchlebt große Angstzustände. Und noch einmal wie bei der Geburt: das Kind wird kurz darauf wieder gefunden.

Mama Sabrell beschließt darauf hin, sich das neue Service „ArkAngel“ zu besorgen. Dieser Dienst unterstützt Eltern bei der Beaufsichtigung ihrer Sprösslinge. Die Erziehungsberechtigen wissen somit immer wo sich das Kind gerade befindet. So ähnliche Dienste mit GPS gibt es auch heute schon. Bei Kindern weniger, aber bei Haustieren schon sehr weit verbreitet. Andere Überwachungsinstrumente wie Babyphones sind heute schon aus einem westlich orientierten Haushalt nicht mehr wegzudenken.

ArkAngel kann aber darüber hinaus noch vieles mehr. Dazu gehören: Biotracer, Verpixelung gefährlicher Bilder und der Blick durch die Augen des Kindes. Dieses Service ist gerade in Pilotphase – das wird der Mutter auch gesagt und sie akzeptiert das. Für den tatsächlichen Betrieb des digitalen „Watchdog“ sind zwei Maßnahmen erforderlich. Einerseits muss ein Sensor in das Gehirn der kleinen Sara eingespritzt werden und andererseits bekommt die Mutter ein Tablet von dem aus sie die einzelnen Dienste abrufen kann. Mit diesen beiden Instrumenten ausgestattet, beginnt nun für die beiden ein völlig neues Leben. Beispielsweise wird der bissige Nachbarhund oder Blutungen verpixelt. Sara wird damit von jedweder Furchterregenden Situation befreit. Im Laufe des Heranwachsens werden auch gewaltsame Videos und Pornos verpixelt. Im Schulhof ist Sara zwischenzeitlich zu einem Außenseiter geworden, weil sie ja über die aktuellen Themen der Jugendlichen nicht Bescheid weiß. Alles was irgendwie bedrohlich war, hat ihr die Mutter irgendwie verpixelt.

Sara entwickelt im Laufe ihrer Kindheit und Jugend ein völlig anderes Bild von der Realität als es alle anderen Kinder haben. Eltern die ihre Kinder dermaßen einschränken tun auch nichts Gutes, weil damit die Persönlichkeitsstruktur so verändert wird, dass die soziale Entwicklung eingeschränkt wird. Es ist also eine ganz schmale Gradwanderung für Eltern was sie ihren Kindern ermöglichen und was verbieten. Darüber hinaus ist diese Grenze nicht stabil, sondern muss sich mit der Entwicklung des Kindes auch dynamisch verändern.

Das Handy- und TV-Verbot ist keine Lösung. Schon gar nicht dann, wenn die Eltern dies nahezu addictive vorleben. Was ArkAngel auf jeden Fall bewirkt ist die Präsentation einer heilen Welt, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Sara ist daher kaum in der Lage ein selbstständiges Leben zu führen. Eine wesentliche Erziehungsaufgabe ist es Kinder zu Verantwortung und selbstständigen Entscheidungen heranzuführen. Dazu müssen sie die soziale und eben auch die digitale Umwelt kennen, um sich darin bewegen zu können. Am Beispiel von Facebook ist es sehr offensichtlich, wenn Lehrerinnen und Lehrern den Schülern empfehlen „nehmt kein Facebook“, dann ist das der völlig falsche Ansatz – die Kinder tun das dann trotzdem und sind auf die möglichen Gefahren nicht vorbereitet. Verantwortungsvolle Lehrer nutzen selber die sozialen Medien, sammeln damit Erfahrungen und geben diese den Kindern weiter.

ArkAngel überwacht permanent die lebenswichtigen Daten wie Herzfrequenz, Blutzucker, Blutdruck, Atemfrequenz, usw. und alarmiert sofort die Eltern, wenn etwas nicht stimmt. Bereits kleinste Abweichungen werden den Eltern mitgeteilt. Es kommt noch einmal wie es kommen muss. Sara verliebt sich und bewältigt ihren ersten sexuellen Kontakt, eben genau so, wie sie es im Youtube gehört hat (sehen konnte sie nichts). Wer aber was sehen konnte war ihre Mutter. Sie schaute bei diesem ersten Mal wirklich zu. Weil die besorgte Mama aber wusste, dass die Tochter keine Verhütungsmittel nahm, verabreichte sie der jungen Frau heimlich die Pille danach. Tags darauf wird Sara so schlecht, dass sie ihre Ärztin aufsucht. Diese bestätigt ihr dann, dass die Pille danach auch dann funktioniert, wenn sie erbrochen hat. Sara kennt sich jetzt überhaupt nicht mehr aus. Erst nach langem überlegen und zusammenstellen der einzelnen Puzzles verdächtigt sie ihre Mutter und stellt sie zur Rede. Es kommt zu Handgreiflichkeiten und die Tochter zieht daraufhin aus und ist per Autostopp unterwegs. Genau das was die Mama immer verhindern wollte, ist jetzt eingetreten. Das System ArkAngel wurde von der Regierung zwischenzeitlich verboten.

Archangle

Erziehungsberechtigte die als „Helikoptereltern“ bezeichnet werden, haben übertriebene Bedürfnisse bei folgenden Themen:

  1. Sicherheit: Eltern möchten immer und zu jeder Zeit wissen wo sich ihre Sprösslinge aufhalten. Idealerweise zeigt das Smartphone die Lokation an. Was bei kleinen Kindern noch verständlich ist, bei Jugendlichen aber unmöglich ist. Mit diesem Verhalten wird jedwedes Vertrauen gebrochen. Kinder können dadurch die Welt nicht selber erfahren und Gefahren am eigenen Leib erleben. Jeder Mensch muss zumindest einmal erlebt haben, dass er sich irgendwo verirrt hat.
  2. Heile Welt: Selbstverständlich möchten alle Eltern das Kind vor Gefahren schützen. Egal ob das physische oder psychische sind. In einer Gesellschaft in der es kaum Gewalt gibt, bestehen die Gefahren hauptsächlich im Psychischen. Kinder sollten erst Pornos sehen, wenn sie aufgeklärt sind und rechtsradikale Filme erst dann, wenn sie das Unterrichtsfach politische Bildung absolviert haben. Eltern kann es über lange Zeit gelingen die Schrecklichkeit der Welt vom Kind fernzuhalten. Je länger sie aber diesen Moment hinaus zögern, umso brutaler erwischt es das Kind.
  3. Performance: Leistungsfähigkeit ist in einer kapitalistischen konsumorientierten Gesellschaft das Um und Auf. Wer keine Leistung bringt verdient kein Geld und hat damit am Konsum nur einen sehr, sehr kleinen Anteil. Genau das möchten die Eltern nicht haben, sondern es soll den Kindern möglichst besser gehen. In asiatischen Ländern beginnt der Leistungsdruck schon im Kindergartenalter. Das ist in Europa noch nicht so weit. Ansätze dbzgl. sind aber zu erkennen. Das eigene Kind muss die besseren Schulnoten haben, wenn das nicht ist, wird an verschiedensten Stellen nachgeholfen.
  4. Pille danach: Dies ist metaphorisch gedacht und bezieht sich nicht auf ungewünschte Schwangerschaften. Wenn Kinder schon mal einen Blödsinn machen, so möchten die Eltern diesen wieder ausbügeln und am Besten wieder ungeschehen machen. Das kostet manchmal Geld, möglicherweise viel Geld. Kann aber auch über Beziehungen oder andere Reputationen erbracht werden.

Einiges davon habe ich selber erlebt. Insbesondere, als ich mir ein gebrauchtes Motorrad kaufte, brauchte ich die Hilfe meines Vaters. Um einen viel zu hohen Kaufpreis habe ich ein schrottwertes Fahrzeug bekommen. Der Vater hats geregelt – ich habe mein Geld wieder zurückbekommen. In noch früherer Jugend war ich einen ganzen Tag mit Spielgefährten unterwegs, ohne das meine Eltern darüber Bescheid wussten oder als Nichtschwimmer in einen Bach hineinzufallen war schon heftig. Meine schulische Performance war sehr mangelhaft. Der Lehrer hat meinem Vater mitgeteilt, dass ich einen möglichst einfachen nichttechnischen Beruf erlernen sollte, weil meine mathematische Begabung einfach zu schlecht war. Trotzdem bin ich ein erwachsener Mensch geworden, der das Leben so halbwegs meistern kann – zumindest bisher.

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