Black Mirror 3.4. San Junipero

San Junipero

Das digitale Heilsversprechen

Noch nie hat sich die Welt so dramatisch verändert wie in den letzten 50 Jahren. In der Vergangenheit sind Menschen hauptsächlich an Krankheit, Terrorismus und Kriegsfolgen gestorben. Heute sterben mehr Menschen an Verkehrsunfällen, Zuckerkonsum und Drogengenuss. Es ist daher verständlich, dass sich Kulturen in der Vergangenheit sehr intensiv über das Leben nach dem Tod beschäftigt haben.

In der christlichen Tradition war über 2000 Jahre lang das irdische und materielle Leben nahe zu bedeutungslos. Weil ja das richtige und ewige Leben erst im Jenseits begann. Man hat damit auch der Gesundheitsvorsorge und Krankenheilung wenig Bedeutung beigemessen, sondern diese dem „Allmächtigen“ überlassen. Ähnliches hat Buddha erkannt, der nach vielen Jahren der Meditation zum Entschluss gekommen ist dass: „Alles Leben gleichbedeutend Leiden ist“. Allerdings hat Buddha ein Rezept zur Befreiung mitgegeben, man braucht nur den goldenen Pfad zu gehen. Noch einfacher gestaltet sich das Heilsversprechen im Christentum. Da genügt es einfach an die Auferstehung zu glauben.

Den schwierigsten Weg schlägt der Hinduismus vor. In einer Vielzahl von Wiedergeburten muss sich der Mensch reinigen bis sein Atman (die Seele) in den Brahman (Gott) eingeht. Dabei ist unendlich viel Leid zu ertragen. In der islamischen Tradition haben die gläubigen wenig Spielraum, weil dabei das Schicksal der Menschen von Allah bestimmt ist. Man ist auf die Barmherzigkeit des Gottes angewiesen um das Leid zu mindern. Alle großen Weltreligionen beschäftigen sich in irgendeiner Weise mit der Erlösung und bieten dafür ein Seelenheil nach dem Tod an.

San Junipero

Die technologische Entwicklung beginnend mit dem 19. Jahrhundert hat sehr viele dieser Glaubensannahmen in Frage gestellt und großteils obsolet gemacht. Im säkularen Europa gibt es zwar kaum Atheisten allerdings glaubt auch kaum mehr an ein weiterleben der Seele nach dem Tod. In technologisch fortschrittlichen Ländern hat auch die Medizintechnik enorme Leistungen mit sich gebracht. Einfache Sachen wie Herztransplantation, abgetrennte Glieder annähen oder Augenlasern sind Standard und mit kaum mehr Risiken verbunden.

Schwierigere Erkrankungen wie Alzheimer, Querschnittslähmung oder Krebs halten sich hartnäckig obwohl es wie das Beispiel AIDS zeigt auch hier schon vielversprechende Therapien gibt. In der Episode 3.4. lernen wir in der zweiten Hälfte der Folge zwei ältere Frauen kennen, die eine Kenny leidet an einer Krebserkrankung und Yorkie ist schon seit vielen Jahren Querschnittsgelähmt. Diese beiden Defekte können auch heute noch nicht wirklich geheilt werden. In jener Zukunft die uns Black Mirror hier hereinbringt, ist das immer noch so allerdings können die Patienten mit ihrem Geist sowohl räumlich und zeitlich auf Reisen gehen. Dazu wird am Kopf ein Chip montiert der den Patienten eine mentale Welt vorspielt.

San Junipero ist so eine Konstruktion und stellt eine Stadt aus den 1980er Jahren statt. Also eine Zeit aus der die älteren Damen noch junge Mädchen waren. Üblicherweise hat man daran gute Erinnerungen. Disco, Freunde, Abenteuer und die erste Liebe. Genau dort in San Junipero, in einer Bar, treffen sich die jungen Frauen Kenny und Yorkie. Anfänglich war es nur eine sehr oberflächliche Beziehung zwischen zwei völlig konträren Persönlichkeiten.

Während Kenny das Discoleben in allen Zügen genießt und von sich selber sagt sie sei eine „ziemlich Ausgeflippte“ ist Yorkie ein sehr verschlossener Typ. Trotzdem baut sich eine Beziehung auf die in den kommenden Treffen immer tiefer wird. Yorkie hatte immer eine strenge und autoritäre Erziehung. Trotzdem oder deshalb spürt sie in ihrem inneren eine Zuneigung zu anderen Frauen. Als sie genau das ihren Eltern mitteilt, kommt es zu einem schlimmen Konflikt. Sie rast von daheim mit dem Auto weg und baut einen Unfall mit der Konsequenz der Querschnittslähmung. Die Liebe zu Frauen kann sie in San Junipero mit ihrer neuen Freundin Kenny erstmals wirklich (in der Cyberrealität) erleben. Es entsteht zwischen diesen beiden eine intensive Liebesbeziehung und sie sind sehr glücklich. Yorkie sagt einmal: „Du hättest mich in der realen Welt nicht einmal gesehen“.

Aus therapeutischen Gründen können die Patienten nicht immer in der virtuellen Welt bleiben, sondern nur einmal pro Woche und da nur einen Tag. Diese „imersive nostalgische Therapie“ ist für Patienten als Abwechslung gedacht. Für physisch verstorbene Menschen ein tatsächliches Weiterleben im virtuellen Raum. Man könnte damit die ewige Seligkeit erreichen und an jenen Orten und jenen Menschen weiterleben die einem das größte Glück bedeuten.

Für totgeweihte Menschen wäre also das Beste zu sterben. Genau das ist das was Yorkie sich wünscht. Die Mediziner schalten aber nicht ab. In der Virtuellen Welt beschließen nun diese beiden Frauen zu heiraten was sie auch in der Realität nachholen werden. Kenny hat somit den Auftrag bekommen das System abzuschalten. Wieder in der virtuellen Welt möchte Yorkie natürlich ihre Frau auch dort leben sollte. Das verweigert Kenny anfänglich weil sie genau das bereits mit ihrem verstorbenen Mann machen möchte.

Kenny macht sich auch Gedanken darüber ob es wirklich einen Sinn macht in aller Ewigkeit in der Bar in San Junipero zu leben. Über die Befreiung von irdischen Leiden haben sich die Menschen immer Gedanken gemacht, allerdings wie eine ewige Glückseligkeit wirklich Glück und Sinn bringt niemand. Sollten uns die Infotech und Biotech jemals die Möglichkeit eines mentalen Leben ermöglichen sollte man sich diese Alternative gut überlegen. Wenn wir unser Leben in einem IT-System fortsetzen könnten, würden wir die Umwelt weniger belasten, als wenn wir Jahrtausende physisch leben würden. Wir würden unseren Globus schon so belasten, dass ein physisches Leben für mindestens 10 Milliarden Menschen nicht möglich wäre. Auch wenn wir heute der künstlichen Intelligenz sehr skeptisch gegenüberstehen, könnte sie ein Garant für das globale Überleben sein.

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