Black Mirror 3.2. Erlebnishunger

Black Mirror 3.2. Erlebnishunger

Werte: Der Schatten der Seele

In dieser Episode sollte es eigentlich um einen Spieletest gehen. Dies ist nur die offensichtliche Story von etwas sehr tief liegenden. Tatsächlich handelt es sich um verdrängte Erlebnisse meist negativer Art. So was ist jedem von uns schon des Öfteren passiert. Wir kommen in eine Situation, die für uns sehr belastend ist. Grundsätzlich können Menschen damit umgehen, selbst wenn Beziehungen auseinandergehen und noch schlimmer, wenn es zu Todesfällen kommt. Werden solche Situationen nicht zur Gänze mental verarbeitet, so bleiben Fragmente im Gehirn gespeichert. Sehr häufig werden diese als „Schatten der Seele“ bezeichnet.

 

Mister Cooper der Hauptdarsteller ist offensichtlich ein ganz cooler Typ, den kaum ein Abenteuer zu gefährlich ist. Er ist auf einer Weltreise und typisch für ihn ist er an den gefährlichen Actionplätzen wie Bunge Jumping, Free Climbing, Airdiving, Stierlauf in Pamplona usw. Interessanterweise ist der Grund für diesen Actiontrip eben nicht sein Bedürfnis nach außerordentlichen Erlebnissen, sondern seine Probleme zu Hause die er damit loswerden möchte. Cooper hat längere Zeit seinen Alzheimer erkrankten Vater, der kürzlich daran verstorben ist, gepflegt. Mit seiner Mutter hat er aus unbekannten Gründen ein sehr schlechtes Verhältnis. In der Episode taucht immer wieder die Szene auf, in der seine Mutter anruft und er nicht abhebt. Anscheinend kann er nicht einmal mit ihr reden. Da dürfte schon was sehr Ernsthaftes passiert sein, was zwischen diesen beiden nie endgültig verarbeitet wurde, also offen blieb. Letztendlich dürften sich zu diesem Problemkomplex noch Beziehungsthemen mit Frauen dazugesellen. Man könnte durchaus feststellen, dass es in seiner Seele mehrere Schatten, also nicht verarbeitete Erlebnisse, gibt.

 

Das Beziehungsproblem zeigt sich in einer Episode in London, wo er sich wieder einmal völlig alleine findet und zumindest nach einer Gesprächspartnerin sucht. In seinen Kontakten findet er niemanden. Allerdings lernt er in einer Bar eine attraktive Frau namens Sonja kennen. Mit ihr verbringt er eine Nacht und will dann weiterreisen. Als er am Bankomat Geld abheben will, ist seine Karte gesperrt, weil hoffnungslos verschuldet. Es bleibt ihm nichts anderes übrig als zu jobben. Wieder zurück bei Sonja findet er eine Zeitungsannonce, worüber abenteuerlustige Männer gesucht werden, die Cyberspiele testen sollten.

 

Über Sonja wissen wir sehr wenig, außer dass sie selber Spieletesterin ist und das Buch Singularity von Ray Kurzweil liest. Schon wieder eine mentale Situation die Cooper nicht zu Ende bringt. Im weiteren Handlungsstrang könnte es sogar sein, dass Sonja ihn absichtlich gebraucht.

 

Kurz entschlossen meldet sich Cooper bei der Firma SaitoGames und bekommt auch gleich den Job. Das Unternehmen programmiert Spiele mit „Interaktiver erweiterter Realität“. Hauptsächlich geht es darum, beim Spieler Ängste auszulösen. Die Produzenten behaupten, dass: „Man sich seiner größten Ängste in einer gesicherten Umgebung aussetzen kann. Dadurch wird die Angst abgebaut und genau diese Freisetzung führt zur mentalen Befreiung“. Bei herkömmlichen Adventuregames ging es schon immer „Kick“. Es wurden Szenen programmiert, in denen man von grauenhaften Wesen angegriffen wurde, in schwarze Löcher fiel oder Telekinese erlebte. Diese Konstruktionen lösen durchaus bei vielen Menschen Angstzustände aus, allerdings nicht bei allen. Daher setzt die Firma SaitoGames auf ein ganz neues technologisches Konzept. Mittels einer neuronalen Ableitung werden beim Probanden Gehirnaktivitäten gemessen. Darüber wird nun herausgefunden, welche Bilder und Situationen den größten individuellen Schrecken auslösen. Das Spiel ist also sehr stark individualisiert. Dazu der Spieleentwickler: „Wie man jemanden mit dem eigenen Geist erschreckt“.

 

Nachdem alle administrativen Aktivitäten abgeschlossen sind wird Cooper in ein altes Haus geführt. Das Gebäude an sich hat nichts Geisterhaftes. Es ist einfach ein leeres englisches Herrenhaus. Mit der Instruktorin Cathy wird noch ein Sicherheitswort vereinbart, welches Cooper nur aussprechen braucht und damit aus der Simulation geholt werden kann. Zu diesem Zeitpunkt hat er noch eine große Sicherheit und sein Verhalten ist durch „vordergründige Heiterkeit“ bestimmt. Die unterschiedlichen Levels dieses individualisierten Spieles werden ausschließlich im Gehirn des Probanden erzeugt und dauern nur 0,04 Sekunden. Der Spieleproduzent weiß nicht was der Anwender alles erlebt daher ist Cathy über ein Headset mit Cooper verbunden und er hat die Aufgabe sein Erleben zu schildern. Nun beginnt die Reise:

 

  1. Einfach nichts:

Spielepsychologen haben erkannt: „Dass bei geringer Stimulation der Geist einem einen Streich spielt. Gibt es keine Ablenkung, so sehen die Menschen Geister“. Cooper befindet sich nun in diesem Haus, vollkommen alleine und ohne Handy. Dabei kommen ihm alle möglichen Gedanken. So was kennen die meisten Menschen, wenn man zum Beispiel im Halbdunklen oder in nebligem Umfeld unterwegs ist, sieht man plötzlich alle möglichen und unmöglichen Figuren.

 

  1. Eine Spinne:

Das Erste was Cooper dann in seinem Geist konstruiert, ist eine simple Spinne. Es könnte schon sein das er, der von nichts Angst hat, sich trotzdem vor einer Spinne fürchtet. Vor Spinnen fürchten sich viele Menschen. Man kann nicht mehr sagen, woher das kommt. Es ist offensichtlich etwas Archetypisches. Cathy entdeckt bei ihm eine erhöhte Herzfrequenz und stellt fest „Ein so harter Kerl hat also Angst vor Spinnen“.

 

  1. Ein alter Schulfreund:

Die sinnliche Deprivation weckt seine Erinnerungen unter anderem an seinen Schulfreund Joseph Peters. Mit diesem verbindet ihn eine Bekanntschaft aus der Schulzeit und es kommt große Angst auf. Auch hier sehen wir ein nicht verarbeitetes mentales Fragment, obwohl Peters nur eine visuelle Simulation ist, beginnt er einen intensiven Dialog. „Menschen reden mehr wenn sie Angst haben und kompensieren diese damit“.

 

  1. Eine Riesenspinne:

Das mit den Spinnen dürfte schon ein ernsthaftes Problem von Cooper sein. Er sieht jetzt eine überlebensgroße Spinne mit dem Gesicht von Peters. Dies führt zu panikartigen Reaktionen. Er ruft Cathy um Hilfe. Die Kommunikation ist allerdings unterbrochen. Wahrscheinlich absichtlich um seine Angstzustände zusätzlich zu steigern.

 

  1. Sonja:

Jetzt beginnt Cooper nachzudenken, warum er in diese Situation gekommen ist. Er kommt zum Schluss, dass dafür Sonja verantwortlich ist. Er vermutet, dass sie ihm die Annonce zugeleitet hat, dass sie seine VISA-Karte gehackt hat und eigentlich Teil der Firma SaitoGames ist. Diese Gedanken entwickeln sich zu Angstzuständen und Sonja erscheint im visuellen Kontext. An dieser Stelle passiert ein wesentlicher Bruch, insofern als Sonja nicht nur visuell, sondern auch taktil anwesend ist. Er kann nicht mehr zwischen Realität und Visualität unterscheiden.

 

Black Mirror 3.2. Playtest (Erlebnishunger)_EN

 

  1. Die Tür:

Jetzt meldet sich seine Instruktorin Cathy. In größter Verzweiflung fleht er sie, ihn aus der Situation zu befreien. Cathy gibt ihm Anweisungen zu einem Exit Point zu gehen und dieser ist hinter einer Tür. Er bräuchte nur die Tür zu öffnen und er wäre frei. Cooper fürchtet, dass hinter dieser Tür seine Mutter sei und dadurch ist es für ihn nahezu unmöglich hineinzugehen, so viel Angst hat er von ihr.

 

  1. Die Mutter:

Letztendlich doch in diesem Raum kommt er zu seiner Mutter. Er sieht sie auf einem Bett sitzen. Dort versucht sie ihn laufend anzurufen, um ihm etwas mitzuteilen. Offensichtlich hat sie auch Alzheimer bekommen. Mental ist sie tot. Cooper kann sich auch an manches nicht mehr erinnern und kommt in seinen größten Angstzustand, wobei er glaubt, auch Alzheimer zu haben.

 

Psychotherapeuten kennen diese so bezeichneten „Schatten in der Seele“. Im Fachbereich der Psychologen gibt es dafür andere Bezeichnungen wie Phobie, Klaustrophobie, Rückzug usw. Um geeignete therapeutische Maßnahmen zum Einsatz zu bringen, ist es wichtig, über die Entstehung solcher Schatten Bescheid zu wissen.

 

Schatten entstehen im Wechselspiel zwischen der realen und neuronalen Welt. Nicht verarbeitete negative Erlebnisse prägen sich ein und bleiben als Fragment im Unterbewusstsein hängen. Beispielsweise könnte der eine heftige Streit mit dem Partner sein der nicht aufgearbeitet wird, sondern dem ein „Stummfilm“ folgt. Der Streit hat sich wieder gelegt. Eigentlich wäre alles wieder in Ordnung. Auf der realen Ebene könnten jetzt Auslöser in Form von Bildern und Situationen entstehen, bei dem diese fragmentierte neuronale Verknüpfung wieder aktiviert wird – der Trigger. In diesem Beispiel könnt es eine Urlaubssituation sein, in der ein sehr harmonisches Paar gesehen und erlebt wird. So ein Trigger könnte dann zu völlig unkontrolliertem Handeln führen. Aggressivität gegen die Partnerin können ausarten bis zu täglichen Angriffen führen.

 

Die eben beschriebene Kette auf der realen Ebene hat keine nachvollziehbare Logik. Es ist nun schwierig, welches die nicht verarbeiteten Erlebnisse sind, welches die Auslöser (intern oder extern) sind und wie unkontrolliertes Handeln entsteht. Auf der neuronalen Ebene bleiben unbewusste Fragmente hängen, welche dann mit einem Trigger aktiviert werden, welche dann Angstzustände, Albträume und Phobien auslösen.

 

Sollte ein Mensch die Neigung zur nicht Verarbeitung von emotionalen Situation haben, so gibt es drei verschiedene Therapiemethoden:

  1. Bewusstes Durchleben der gesamten Situation. Also nicht davonrennen, keinen „Stummfilm“ starten oder sich zurückziehen. Ja das ist schwierig, kann aber geübt und gelernt werden. Wenn man dazu Hilfe von seinem Umfeld bekommt, ist es leichter. Das ist die Profilaxe.

 

  1. Sofern sich fragmentierte negative Emotionen einmal festgesetzt haben, sind diese nur mehr schwierig zu eliminieren. Mit der Timeline-Methodik kann man sich mental in die ursprüngliche Situation zurückversetzten und diese noch einmal zu durchleben. Wahrscheinlich hat man mit einer räumlichen und zeitlichen Distanz mehr Ressourcen das Problem zu lösen. Wahrscheinlich ist es sehr hilfreich sich das damalige schlechte Verhalten selber zu verzeihen.

 

  1. Wenn dieses phobische Verhalten schon sehr weit fortgeschritten ist, braucht es die Hilfe eines Psychotherapeuten. Im schlimmsten Fall kommen Psychopharmaka zum Einsatz. Man hat es dann mit einem kranken Menschen zu tun. Es braucht viel Liebe und Altruismus.

 

Die meisten Analysten sehen in der ersten halben Stunde dieser Episode die vergeudete Zeit, weil man die Effekte des „Playtester“ sehen möchte. Das wirklich Eindrucksvolle ist eben die Vorgeschichte von Cooper und das Herausarbeiten seiner Schatten in der Seele, die dann durch Trigger aktiviert werden.

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